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nicht geleerten Whisky-Flaschen in Sicherheit und die Kneipkumpane auf den Marsch. Mürrisch riefen sie nach ihren Pferdejungen, ließen die Ponies anschirren, schwangen sich, so gut es gehen wollte, in die Sättel und trabten, unzufrieden über die zu frühe Beendigung des angerissenen Abends, zu ihren Nachbarpflanzungen heim.

„So, nun sollen Sie auch Ihre Kakaoschoten sehen!“ lachte der Hausherr, der sich während des Aufbruches seiner Gäste eine ernüchternde kalte Dusche verabreicht zu haben schien. Dann herrschte er die muntere Tamulin, mit der ich mich inzwischen unterhalten hatte, mit den Worten an: „Geh mit und schneide dem Doktor ein paar schöne Kakaoschoten ab!“ Plötzlich aber schien der Alkoholteufel wieder die Oberhand zu bekommen; er schwatzte allerlei verwirrtes Zeug von einem Bären, den er mir zuvor zeigen müsse, während ihm doch das Vorführen von Affen weit näher zu liegen schien. Die brünette Dame, deren Stellung in dieser Junggesellenwirtschaft mir noch nicht ganz klar war, fügte munter hinzu: „Ja, ja, wir haben wirklich einen leibhaftigen Bären im Hause. Komm nur herein, Tommy!“ Damit schlang sie sprühenden Auges ihre glänzend braunen Arme um das zottige schwarze Ungetier, das schnuppernd und fauchend frank und frei ohne Maulkorb zur geöffneten Türe hereingetappelt kam. Während die pikante braune Venus mit der Bestie immer übermütiger im Zimmer herumtollte, mit ihr rang und boxte, raunte mir der Gebieter des Hauses zu, daß das temperamentvolle Mädchen eigentlich nur eine Kakaopflückerin, von ihm aber zur Würde seiner nicht legitimen zeitweiligen Gemahlin erhoben sei. „Ist sie nicht schön?“ fragte er dann, indem er weniger das weibliche Wesen als ihre kostbaren Anhängsel an Nase und Ohren streichelte, die ihm manche Stange Gold gekostet haben mochten. Angesichts dieses Prahlens mit seiner Brillanten- und Perlenverschwendung neben der fast dürftigen und vernachlässigten häuslichen Einrichtung kamen mir die Bestrebungen jener englischen Frauen-Liga ganz erklärlich vor, wodurch Pflanzer, die in, wilder Ehe mit Farbigen gelebt haben, gesellschaftlich für immer in Acht und Bann erklärt werden, sobald sie nach England heimkehren. Daß diese Ächtung sich selbst im Werbungsfalle als stichfest erweist, wage ich nicht zu bezweifeln.

Mein fröhlicher Pflanzer schien sich vorläufig den ihm einst daheim drohenden Boykott nicht sonderlich zu Herzen zu nehmen. Gähnend schlug er mir vor, ich möge unter Führung seiner schokoladefarbigen Dulcinea ohne ihn in die Kakaopflanzung spazieren; er selbst zöge es aber vor, sich nunmehr schlafen zu legen. Überflüssigerweise versicherte er noch, daß er keine Eifersucht kenne, wobei er leise und schelmisch an dem leuchtenden Rubin zupfte, der von dem Nasenspitzchen der Tamulin herunterbaumelte; dann ging er durch die Mitteltür ab.

Hätte der gute Mann seine Eifersuchtsfreiheit lieber nicht so sehr betont oder besser ganz aus dem Spiele gelassen; so etwas tut niemals gut! Die junge Tamulin machte gar kein Hehl daraus, daß ich einige Gnade vor ihren

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/47&oldid=- (Version vom 1.7.2018)