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verdient. Da er zum Unterhalt für sich und seine Familie aber täglich kaum dreißig Pfennige verbraucht, so hängt ihm in Ceylon der Himmel voller Geigen, und er schafft nach Herzenslust. Wohin wir auch blicken, sehen wir die blankgeölten schwarzbraunen Schultern munterer Kinder des indischen Südens, die emsig die Kaffeebäumchen absuchen und die prallen, reifen, roten Beeren, die man für Kirschen halten könnte, in Umhängetaschen aus Kokosfasern sammeln und dann an die Plätze schaffen, wo die Beeren zerdrückt werden.

Zerbeißen der Kaffeebeeren.

Die Pflanzer, die zum Zerquetschen des Beerenfleisches keine „Pulper“-Maschinen[WS 1] anschaffen wollen, deren grobgenarbte Walzen doch wohl manche der beiden in jeder Beere enthaltenen Bohnen oder wenigstens das sie einhüllende Schutzhäutchen verletzen, machen sich schlau den sanften Beißapparat zu nutze, der jedem Tamulenkinde von der Mutter Natur in die Wiege gelegt wurde. Eine wahre Massenversammlung weiblicher Nußknacker kauert in manchem Pflanzungshofe, die alle mehr oder weniger stillvergnügt mit den Mäulchen wackeln; so hurtig als wären es die leckersten Konfitüren, stecken sie Beere für Beere zwischen die Lippen, zerteilen sie durch einen herzhaften Biß, der die beiden Bohnen freilegt und speien dann die breiige Masse mit angeborener Grazie in einen Korb. Je öfter die Arbeiterin einen solchen Korb gefüllt abliefert, um so mehr Silberannas klimpern am Zahltage beim Wochenschluß in ihrem schmalen Geldbeutelchen. Auch diese wöchentliche Ablöhnung ist ein Umstand, der die Pflanzer lieber Tamulen zu Arbeitern anwerben läßt, als Sinhalesen, die tagtäglich ihren Sold verlangen, um von der Arbeit fortbleiben zu können, sobald sie ein paar Silberlinge erübrigt haben und keine Lust verspüren, sich zu plagen.

Hof einer Kaffeepflanzung.

Die auf dem folgenden Bilde vor ihrem Kaffeebeerenberg hingegossene Beißkünstlerin wird gewiß unter ihresgleichen wegen ihrer rundlichen Fülle, nicht etwa ihrer wenig reizvollen Gesichtszüge halber, für einen Ausbund von Schönheiten gelten; daß sie eine Tamulin ist, verrät auch der Ring an ihrer Fußzehe, denn die Sinhalesinnen verabscheuen das Fußschmücken als barbarisch. Auch in anderen Kleidungsfragen ist der Geschmack der

Tamulen von dem der Sinhalesen recht verschieden. Ein Blick auf die mit

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Pulper: vergleiche Fruchtpulpe
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/41&oldid=- (Version vom 1.7.2018)