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und wohl auch als Zeichen einzuhändigen, daß ich mir durch mein Verhalten die Gunst der hohen nepalischen Herrschaften nicht verscherzt hatte. Bei der sprichwörtlichen Sparsamkeit der nepalischen Fürsten muß ich dieses Andenken an das „verschlossene Land“ ganz besonders hoch in Ehren zu halten suchen! —

Mit wehmutsvoller Freude schließe ich diese Mitteilungen: mit Freude über das, was ich mitteilen konnte, mit Wehmut wegen des vielen, wofür ich nicht die geeigneten Worte zu finden vermochte, oder was hier nicht am Platze wäre. Das eine aber fühle ich, je länger ich lebe und je mehr ich von der Welt kennen lerne, mit immer wachsender Wärme: so reichgesegnet jene Länder in der Nähe des Wendekreises und Äquators unserem erstaunten Auge auch erscheinen mögen, läßt sich doch für uns Kinder einer maßvolleren Zone tatsächlich auf der Welt kein Land finden, wo sich Licht und Schatten in so freundlichem Wechsel ausgleichen, wo alle Zustände der Natur wie der Kultur das Dasein so erträglich machen, wo Recht und Ordnung und Freiheit jedem ein so reiches Maß von Segnungen spenden wie das Stückchen des Erdballs, das wir Deutschen mit mehr Stolz als wir ihn gewöhnlich zur Schau tragen unser Heimatland nennen können! Nur an uns liegt es, wenn wir, unserer ernsten Pflichten vergessend, niedrigen Gesinnungen nachgeben und uns zu einem unzufriedenen Schwächlingsgeschlecht herabwürdigen. Möge nie ein Deutscher den Mut verlieren, an der Hebung berechtigten Nationalgefühls mitzuarbeiten und zu bekämpfen, was die unserem Volke in die Wiege gelegten Gaben vergiften und verkümmern kann! Wohl dem Deutschen, der frei und offen mit dem Helden in Grabbes „Don Juan und Faust“[WS 1] zu bekennen wagt:

„Was ist mir näher als das Vaterland?
Die Heimat nur kann uns beseligen,
Verräterei, die Fremde vorzuziehn! —
Nicht Faust wär’ ich, wenn ich kein Deutscher wäre!
O Deutschland! Vaterland! Die Träne hängt
Mir an der Wimper, wenn ich dein gedenke!
Kein Land, das herrlicher als du, kein Volk,
Das mächt’ger, edler als wie deines! —
Unzähl’ge deutsche Adern rollen grad’
So stolz und kühn als Deutschlands Ströme!“ —

Abschiedsgabe des Durbars von Nepal an den Verfasser. 1/12

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Grabbes „Don Juan und Faust“: vergleiche Don Juan und Faust (1828) von Christian Dietrich Grabbe (1801-1836)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/409&oldid=- (Version vom 28.8.2018)