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Grenzgebirge zwischen Nepal und Sikhim, aus Ost gesehen.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Ein Ausflug zum höchsten Berge der Erde.

Die Wunderwelt, die sich mir auf dem Gipfel des Swajambunath-Berges erschlossen hatte, mußte ich als einen Trost und Ersatz dafür gelten lassen, daß es mir zwar vergönnt wurde, in die Nachbarschaft der höchsten Spitze unserer Erde zu gelangen, nicht aber einen Versuch machen zu dürfen, das Massiv dieses ungeheueren Gebirgsstockes zu betreten, dessen Gipfel als Grenze zwischen Nepal und Tibet angesehen wird. Die kritische Lage dieser Bergkette und der Umstand, daß sie im Osten wie im Westen von vergletscherten Pässen durchschnitten wird, vermehrt die Abneigung der nepalischen Staatslenker, den Europäern das Betreten dieses Berges oder dieser Übergänge von ihrem Lande aus zu gestatten. Die Gesichtszüge des mir sonst offenbar gewogenen Generalkommandeurs Deb Schumscher versteinerten sich förmlich, als ich mein dahin zielendes Gesuch vorbrachte, auf dessen Ablehnung ich allerdings bereits durch eine Mitteilung seitens des deutschen Generalkonsulates in Kalkutta vorbereitet war, derzufolge ein Besteigungsversuch des Gaurisankar-Everest vollständig verboten war. Anstatt aber offen zu bekennen, daß Mißtrauen gegen mich als Europäer die Ursache dieses Verbotes war, schützte Seine Exzellenz alle möglichen Besorgnisse in Bezug auf die Gefahren des Hochgebirges vor, die mir doch von meinen früheren Himalaja-Reisen her keineswegs unbekannt waren; schweren Herzens mußte ich den Gedanken an dieses Vorhaben aufgeben, das ich allerdings, wie ich jetzt vollkommen überzeugt bin, als einzelner, ganz auf mich selbst angewiesener Reisende niemals zu einem erfolgreichen Ende hätte bringen können, da die nepalischen Gorkhabergsoldaten, auf deren Hilfe als Gepäckträger ich gezählt hatte, mit ihren Lederschuhen allenfalls über Schneefelder und Paßeinsattelungen hinübergekommen wären, für das eigentliche Steigen im weglosen Hochgebirge und auf übereisten Felsen aber in unzureichender

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/394&oldid=- (Version vom 28.8.2018)