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der Virtuosen hatte den mindesten Erfolg; sobald ich für einen Augenblick Ruhe hatte, um mein ins Tibetische übersetztes „Bitte recht freundlich“ zu äußern und das Objektiv zu öffnen, rissen auch die Unholde wieder ihre Teufelshörner an die Lippen und tuteten, als ob sie mir mit diesem Konzert einen unschätzbaren Gefallen erwiesen! Da es mir gelungen ist, trotz dieser krampfhaften Blasübungen, die dem einen Helden die Backen zu sprengen drohten, auf einer wenig empfindlichen Platte ein brauchbares und interessantes Abbild dieser charakteristischen Gesellen zu erhalten, so möge dasselbe diesem Werke als Titelbild dienen.[WS 1]

An die Dame, die ihre derbe Hand auf die Gebetsmühle legt, denke ich freilich mit Kummer zurück; während ich nämlich die Hornvirtuosen zu überreden suchte, von ihrem gräßlichen Gekreische Abstand zu nehmen, kam diese Frau, mit zerfetztem Kleide und wildflatternder, vom Sturm zerzauster Mähne, nach Männerart auf einem Grunzochsen reitend herangesprengt, und ein wilderes Modell einer Tibeterin konnte ich mir gar nicht wünschen. Die gute Frau begriff auch ganz gut, um was es sich handelte, als ich sie höflichst ersuchte, in der edlen Gesellschaft der Bettelmönche ebenfalls Platz zu nehmen, aber anstatt sich hinzustellen, wie sie vom Yak gesprungen war, mit fliegendem Busen und dem lockeren, wirren Haarwald um den Kopf, holte sie einen klotzigen Kamm aus der Tasche und scheitelte und striegelte sich damit, unbarmherzig zausend, die Perücke glatt; dann lief sie zu einer guten Freundin und borgte sich von ihr eine geheimnisvolle Dose, aus der sie eilig eine talgähnliche Masse herauskratzte, womit sie sich das Haar einfettete und spiegelglatt niederstrich. Nie habe ich eine größere Verwandlung eines Gesichtes gesehen, trotzdem ich doch so manche Maskenstudien gemacht habe. Die Frau sah durch diese Bearbeitung so unbedeutend aus, daß ich gute Lust bekam, ihr den auf dem Bilde angebotenen Platz wieder zu entziehen, und nur meiner schier grenzenlosen Galanterie gegen alles, was Weib heißt, hat die ordnungsliebende Tibeterin den Vorzug zu danken, in diesem Werke dargestellt zu sein. Auch der auf der anderen Seite stehende Krüppel ohne Beine ist nicht absichtlich auf das Bild gekommen, sondern hat sich im letzten Augenblick an die musikalischen Bettelmönche herangeschoben. Immerhin kann man daraus ersehen, in was für einer feinen Gesellschaft ich mich in Buddhnath befunden habe!

Angesichts der zahlreichen, aber nur bis zum Jahre 1899 in Dutreuil de Rhins „L’Asie Centrale“ verzeichneten Reisen,[WS 2] die in neuerer Zeit durch Tibet unternommen sind und neben denen die Durchquerung ganz Asiens durch die deutschen Forscher Dr. Futterer und Dr. Holderer[WS 3] auffallend rasch in Vergessenheit geraten ist, kann ich es mir wohl versagen, ausführlicher über die in Nepal doch nur als Fremdlinge geduldeten Tibeter zu sprechen, die seltsamerweise seit alten Zeiten die Ansicht haben, von Affen und weiblichen Dämonen abzustammen; dagegen möchte ich im nächsten Kapitel eine für die Eigenart Nepals höchst bezeichnende Örtlichkeit schildern. Bei dieser Gelegenheit muß ich aber doch betonen, daß Nepal auf sämtlichen Seiten für Europäer gesperrt

und der weitaus größte Teil desselben noch niemals für einen solchen geöffnet

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Titelbild: vergleiche Titelbild
  2. WS: Dutreuil de Rhins: vergleiche Jules Léon Dutreuil de Rhins (1846-1894); L’Asie Centrale ist 1889 und nicht 1899 erschienen
  3. WS: Dr. Futterer, Dr. Holderer: vergleiche Karl Joseph Xaver Futterer (1866–1906, NDB) und Julius Holderer (1866–1950)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/377&oldid=- (Version vom 1.7.2018)