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doch bot gerade Bhatgaon einen Überfluß an fesselnden Motiven! Der Grund dafür liegt darin, daß die Bewohner von Bhatgaon nicht wie die von Patan zu zwei Dritteln, sondern nur zu einem Drittel aus Buddhisten, also überwiegend aus Newaris der brahminischen Richtung bestehen, weshalb die brahminischen Gorkhas bei der Eroberung und Zerstörung der besonders durch Harh Singh im sechzehnten Jahrhundert[WS 1] vergrößerten und verschönerten Residenz größere Schonung walten ließen als in Patan.

Newariknaben beim Opfergesang

Aber nicht nur die Architekturbilder sind in dieser Stadt, zumal in der Nachbarschaft des Taumari-Platzes[WS 2] und des Goldfischteiches Siddha Pokri[WS 3] besonders reizvoll, sondern auch die auf 50 000 Seelen geschätzte Bevölkerung ist hier wesentlich ansprechender, lebhafter und munterer als in den anderen Städten Nepals. Trotz der geradezu lächerlichen Angst, die hier jedermann vor dem Photographiertwerden zu haben schien, ist es mir gelungen, aus einem Versteck eine Schar Newarimänner und Knaben während eines gemeinschaftlichen Gesanges abzubilden, den sie beim Darbringen einiger Schüsseln voll Pfeffer und anderer Opfergaben vor einem Biar oder Wihara[WS 4] anstimmten, in dem ein berühmter heiliger Pilger Unterkommen gesucht hatte. Noch heute gellt mir das durchdringende Schreien dieser mit größter Inbrunst singenden Leute in den Ohren, worein sich das scharfe Klingen der von drei Knaben bearbeiteten kleinen Messingbecken, das Dröhnen der langgestreckten Handtrommeln und das kreischende Tuten aus langen, dünnen Kupferhörnern mischte; diese waren an langen Stäben festgebunden, damit sie nicht zusammenrutschten, denn sie

bestehen, des leichteren Transportes wegen, aus mehreren

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Harh Singh im sechzehnten Jahrhundert: vergleiche Harisimhadeva (en; Hari Simha, Hari Singh Deva, frühes 14. Jahrhundert); ab dem 15. Jahrhundert regierte die prosperierende Malla-Dynastie (en), deren direkte Abstammung von Hari Simha fragwürdig ist. Weitere Malla-Herrscher in den drei Hauptstädten trugen ebenfalls Namen (wie Narasimha), die für eine Verballhornung in Frage kämen.
  2. WS: Taumari-Platzes: vergleiche Taumadhi Square (Bilder)
  3. WS: Siddha Pokri: vergleiche Ta Pukhu (Siddha Pokhari) in Bhaktapur (en)
  4. WS: Biar oder Wihara: vergleiche vorherige Anmerkung zu Vihara, Biar/Bihar leiten sich hiervon ab.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/354&oldid=- (Version vom 2.7.2018)