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dem Bilde, das ich mit Hilfe des einen Objektivs und eines im Winkel von 45° geneigten Spiegels auf einer horizontal liegenden Mattscheibe einstellen und fortwährend beobachten konnte, während die andere Kamera ein Objektiv mit stets gespanntem Verschluß und die beständig ausgezogene Kassette mit der Platte enthielt, so daß sie jederzeit schußfertig war.

Auch der Nichtphotograph wird ermessen können, wie unbändig ich mich freute, als der Spediteur bei der Abfahrt meines Dampfers ganz ruhig erklärte, diese wichtigen Kisten seien noch nicht zur Stelle, ich möchte jedoch getrost abfahren, sie würden mir sicher mit dem nächsten Schiffe nach Ceylon nachgeschickt werden! Wie sehnsüchtig wartete ich in Kolombo Woche für Woche vergeblich auf diese Sendung! Überdies staute sich in Kolombo der Strom der nach Kalkutta Reisenden in bedenklicher Weise, da alle Schiffsplätze wegen der in Bombay damals gerade mit unerhörter Heftigkeit wütenden Pest bereits von England aus durch Beamte oder Offiziere besetzt waren, die sonst die schnellere Beförderung über Bombay vorgezogen haben würden; ich mußte es als eine Art von Wunder betrachten, daß ich auf einem ganz ausschließlich mit englischen Missionaren und deren Familien beladenen Dampfer der City-Linie ein Plätzchen fand, mit dem ich gerade noch rechtzeitig genug in Kalkutta eintraf, um die mir zum Besuche Nepals gewährte Frist wahrnehmen zu können.

Es galt nun, meinen ausgebliebenen Apparat schleunigst durch einen anderen zu ersetzen; kein einziger der in Kalkutta in den Handlungen auf Lager befindlichen Apparate war jedoch größer als Halbplatte oder hatte mehr als drei angepaßte Doppelkassetten, so daß ich ein durch beständiges Plattenwechseln höchst unerfreuliches photographisches Arbeiten vor Augen hatte. Da erfuhr ich, daß ein steinreicher Bankier als Amateur im Besitze einer überaus kostbaren Ausrüstung größten Maßstabes sei, und ich war überglücklich zu hören, daß die Kamera zwölf Doppelkassetten für Platten etwas größer als 24X80 cm besaß. Angesichts des sehr beträchtlichen Wertes der dazu gehörigen großen Dallmeyer-Objektive[WS 1] fand ich es nicht für unbillig, daß mir eine Summe von 100 Pfund Sterling als Pfand abverlangt wurde, sondern war froh, überhaupt wieder ein brauchbares Gewehr zu besitzen; Patronen, d. h. die dazu passenden Platten, besaß aber der Eigentümer nicht mehr, und auch die Photographen Kalkuttas konnten nicht aushelfen oder wollten ihren knappen Vorrat nicht schmälern; nur ein einziger Händler vermochte mir schließlich drei Dutzend zu verschaffen, die er zwar als für Momentbilder präpariert ausgab, die sich aber schließlich als zum Teil sogar bereits durch das indische Klima verdorbene „langsame“ Platten erwiesen. Außerdem hatte ich von Haus aus eine kleine Handkamera und einen Klappkodak mit, von denen die erstere schon infolge der heißen Seeluft aus dem Leim ging, und den Kodak durfte ich nach meinem allerdings etwas gewagten Attentat auf die Haremsdamen nicht mehr in Tätigkeit setzen.

Ich mußte also mit allergrößter Sparsamkeit haushalten und vor jeder

Aufnahme lange überlegen, ob sie auch die schöne große Platte wert sei; und

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Dallmeyer-Objektive: vergleiche John Henry Dallmeyer (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/353&oldid=- (Version vom 1.7.2018)