Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/326

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

betätigen möchten, verschwieg ich natürlich, gerade weil ich Nationalstolz empfinde.

Die mir sichtlich wohlwollenden Herren Nepaler gaben mir alle wünschenswerten Auskünfte über die Orte, die ich besuchen wollte, wobei ich nicht unterließ, durch allerlei kleine Scherze den Appetit an meinen Besuchen zu heben. Am besten gelang mir dies wohl mit Hilfe einer Schachtel voll Teufelszigaretten, die ich Seiner Exzellenz mit der vertraulichen Bitte übergab, einem der Herren Generale eine derselben anzubieten; das reizende, aber ganz harmlose Funkengestöber, das aus dem in solchen Zigaretten enthaltenen Feuerwerkssatz plötzlich nach dem Verbrauch des Tabaks hervorsprüht, machte beinahe noch mehr Eindruck als die Vorführung meines Klappzylinders, und ein hoher Herr nach dem anderen wurde herbeigerufen, um unter lauernden Blicken der bereits Eingeweihten eine der verhängnisvollen Zigaretten zu rauchen.

Im innersten Herzen fühlte ich mich aber bei der Audienz trotz der allgemeinen Heiterkeit und aller Gunstbezeugungen doch nicht vollkommen glücklich. Meine Versuche, die Erlaubnis zu bekommen, auch andere, noch völlig unbekannte Teile Nepals besuchen zu dürfen, schlugen fehl, und ich mußte es als eine ganz besondere Gnade betrachten, daß mir als Zugabe zu meinem Programm schließlich noch ein Ausflug in das nördlich von Katmandu liegende Kukannigebirge[WS 1] gestattet wurde, von wo aus ich wenigstens den Gebirgsstock des Everest-Gaurisankar von Westen her voll überschauen konnte. Da ich mich durch mein Streben nach photographischen Ausnahmen doch wohl bereits verdächtig gemacht hatte, wurde mir der Besuch dieses Kukanniberges nur unter der Bedingung keiner topographischen Aufzeichnungen vergönnt.

Etwas ist immer besser als nichts, und so verließ ich mit dankbar lächelnder Miene und auf das Unerreichbare verzichtleistend den Palast, der bereits Jan Bahadur zum Aufenthalt gedient hatte.

Dieser energische und einsichtsvolle Jan Bahadur Kanwar, der sich, getragen von der Gunst der einflußreichsten unter den Frauen des Königs, im Jahre 1845 vom Adjutanten zum unbeschränkten Premierminister emporschwang, ist eine höchst bemerkenswerte Figur in der Geschichte Nepals; auch war er der einzige Machthaber in Nepal, der, und noch dazu nach einer 32 Jahre währenden Regierung, eines natürlichen Todes verschieden ist, obgleich auch er nur durch die allgemein üblichen Mittel von Mord und Intrige an seinen Platz gelangen konnte, um nicht selbst ermordet zu werden; wiederholt hat er jedoch später, bei der Entdeckung gegen sein Leben angestellter Verschwörungen, sowohl von Todesstrafe wie vom Blindmachen der Schuldigen abgesehen und sich mit ihrer Verbannung aus Nepal begnügt. Nepal verdankt ihm eine Fülle wichtiger Reformen, die zeigen, wie weit sich ein ganz asiatisches Reich aus eigner Kraft zu entwickeln vermag. Allerdings ist Nepal trotz der Fruchtbarkeit seiner

Täler nicht imstande, sich ohne Zufuhren von außen zu ernähren, und ebenso

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Kukanni: Bergrücken auf 2000m Höhe; vergleiche Kakani (danach benannte Gemeinde)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/326&oldid=- (Version vom 1.7.2018)