Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/315

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

indischen Damenwelt, für die ich, weil sie voll soviel rührender Weiblichkeit ist, sehr beträchtliche Sympathien übrig habe.

Meinen Schirm und Sonnenhelm hatten die Kulis in Verwahrung genommen, als aber die Sonne am schärfsten stach und blendete, waren sie damit natürlich nicht zur Stelle, so daß mir nichts übrig blieb, als einem Bauernjungen einen Korb voll Rettiche abzuhandeln, nur um mir den dichtgeflochtenen Bambuskorb als Schattenspender über den Kopf zu stülpen, weil ich bereits ganz schauderhafte Kopfschmerzen und jenes unheimliche Schwarzwerden vor den Augen verspürte, das einem Sonnenstich voranzugehen pflegt. Mit Ingrimm dachte ich auch an die köstlichen Orangen, die mit meinem Tragstuhl zurückgeblieben waren, während ich nichts bei mir hatte, um meinen brennenden Durst zu stillen, denn meine Rettiche wären mir wohl im Münchener Hofbräu aber nicht hier von Nutzen gewesen.

In Tschitlong traf ich ein ungeheures Getümmel. Auf die bereits von mir getroffenen vorausgeschickten Haremsdamen, Treiber und Elefanten folgte hier die Meute mit den Hundewärtern und Büchsenspannern, die in Tschitlong ihr Nachtlager beziehen sollten. Meine Augen waren aber von der blendenden Sonne so entzündet, daß sie schmerzten und ich schleunigst das Rasthaus aufsuchen mußte.

Ich kletterte die Stiege zu dem unsauberen, durch Fensterladen verdunkelten oberen Stockwerk empor und setzte mich erschöpft in eine Wandnische, um die Ankunft der Kulis abzuwarten, die mich nun schon so oft durch ihr Zurückbleiben verstimmt und geschädigt hatten; ich fühlte mich ernstlich unwohl und wußte, wie wenig mit solchen Zuständen in diesem Klima zu spaßen ist. Plötzlich klirrten Ketten in dem unteren Treppenraum, Hunde kläfften, und ich hörte, wie ein paar auf der Treppe zurückbleibende Schikare, die mich in dem herrschenden Dämmerlicht nicht bemerkten, ihren auf Leoparden dressierten Bluthunden die Ketten lösten; sofort stürmten die Köter die Treppe vollends heraus und auf mich los. Die Hundewärter kreischten entsetzt auf, als sie durch meinen Zuruf meine Anwesenheit erfuhren und sprangen auch sogleich an meine Seite, um mit ihren Drahtpeitschen wie unsinnig auf die Rüden loszudreschen, die sie auch glücklich in eine Ecke zu prügeln und wieder an die Kette zu legen vermochten. Ich hatte schon früher einmal genug von Wolfshunden in den siebenbürgischen Karpaten zu leiden gehabt und war gar nicht begierig, mit Kötern, die mit Tigern und Rhinozerossen verkehrten, in nähere Berührung zu kommen. Die gewaltige Aufregung hatte aber wenigstens das Gute gehabt, mich gründlich in Schweiß zu bringen, worauf ich mich wesentlich wohler fühlte und auf einem Tscharpeu, den die Hundewächter herbeischleppten, in Schlaf sank. Als ich aufwachte, stand mein Tragstuhl neben meinem Lager, und gierig fiel ich über die Orangen her, während ein Oxtailragout[WS 1] und andere Leckerbissen aus meinem Proviantkorbe warm gemacht wurden.

In der Hoffnung, daß ich in der staubigen Paua voll Spinngeweben

und Ungeziefer die Nacht zubringen würde, schleppten die Kulis mein ganzes

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Oxtailragout: vergleiche Ochsenschwanzragout
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/315&oldid=- (Version vom 1.7.2018)