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ist: die Gelehrigkeit und die Leistungen dieser Tiere oder der Mut und die Geschicklichkeit ihrer Lehrmeister, der Kornaks. Mir wurde schließlich vor lauter in der Luft herumzüngelnden Elefantenrüsseln so wirr vor den Augen, daß ich froh war, den Jungen, der mir die Taubeneier gebracht hatte, mit der Meldung heranspringen zu sehen, daß meine Kulis eingerückt seien. Natürlich wehrten sie sich verzweifelt, noch die weiteren zwölf Meilen bis Bhimpedi[WS 1] zu marschieren, und erst nachdem ich ihnen eine dreistündige Mittagsrast zugesagt und als Erleichterer ihrer Lasten ein paar stramme Ochsen gemietet hatte, konnte ich in Gemütsruhe meine inzwischen gar gewordene Mahlzeit verzehren, für die ich mir nicht die schlechtesten Büchsen aus der Konservenkiste herausgesucht hatte.

Bei der mir nur auf wenige Wochen bemessenen Erlaubnisfrist drängte es mich, in das eigentliche Nepal zu kommen, so interessant das Terai, abgesehen von der darin herrschenden schwülen, widerlichen Atmosphäre, auch an und für sich war.

Gleich hinter Hetaura änderte sich wie mit einem Schlage der bis dahin qualvoll schlechte Weg, denn von dort bis nach Bhimpedi hat die nepalische Armee eine ganz wundervolle Straße durch Wald und Gebirge angelegt, breit, bequem und wohlgepflegt, vielleicht um zu zeigen, daß die Zugangsstraßen an den strategisch wichtigen Stellen absichtlich in einem schauderhaften, nur mit allergrößter Mühe benutzbaren Zustande belassen werden. Daß das sumpfige Terai ebenso absichtlich nicht trocken gelegt und ausgerodet wird, um die Malariagefahr nicht zu vermindern, die das Land vor Eindringlingen schützt, geben die Nepaler selbst zu.

Glücklicherweise widerstand ich der Versuchung, diese romantischen Hohlwege und Schluchten photographisch aufzunehmen, denn es war mir nicht entgangen, daß hinter den Bäumen am Wegrande hie und da Soldaten postiert waren und mir auch zeitweise nachschlichen, die jedenfalls den Auftrag hatten, über mein Tun und Treiben genauen Bericht abzustatten, mich wohl sogar bei offenbaren Vergehen abzufassen und unschädlich zu machen; das Unterlassen aller die Sicherheit des Landes berührenden Aufnahmen war mir ernstlich zur Pflicht gemacht worden. Und doch war der Drang, diese Landschaftsbilder festzuhalten, unwiderstehlich, denn ich wollte kaum glauben, daß nur blinder Zufall, nur Laune der Natur die Schönheit der Vegetation in so wirkungsvoller Steigerung zur Entfaltung zu bringen vermag, wie es auf dem Wege von Hetaura nach Bhimpedi geschieht. Kein Dekorationsmaler kann von genialeren Meisterstücken träumen, als sie hier der überquellende Schöpfungsdrang der subtropischen Zone gezeitigt hat.

Wie gewöhnlich waren auch auf diesem herrlichen Wege die Kulis weit zurückgeblieben, und ich stutzte nicht wenig, als mir plötzlich aus einem Busche ein fast nackter Mann mit einem an rasselndem Speer hängenden ledernen Beutel entgegentrat, der dort nebst einem noch weniger bekleideten Bogenschützen auf mich gewartet zu haben schien. Der Speerträger bückte sich grüßend bis auf die Erde und zog dann grinsend aus seinem Ledersack ein Briefchen hervor,

das die Mitteilung enthielt, daß für mein Weiterkommen in Bhimpedi ein paar

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Bhimphedi: vergleiche Bhimphedi (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 239. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/303&oldid=- (Version vom 1.7.2018)