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große, dunkle Masse hervor kam; es war ein ungeheurer Elefant, um den sich aber niemand zu kümmern schien. Ich war viel zu abgespannt, um aufzustehen, selbst als ich bemerkte, daß der Elefant geradeswegs auf mich losmarschierte; ich blinzelte das Untier von unten her an und wartete stumpfsinnig ab, ob es wohl geruhen würde, mich zu zertreten oder nicht. Doch das Grautier machte klugerweise vor mir Halt, wedelte gemütlich mit den riesigen Ohren, knickte dann mit seinem Rüssel einen belaubten Zweig ab und fächelte mir damit bedächtig die lästigen Moskito- und Insektenschwärme fort, ohne mich auch nur mit einem Blättchen zu streifen. Durch diese unvermutete Liebenswürdigkeit wurde ich so gerührt und aufgeheitert, daß ich völlig ermuntert aufsprang und dem herbeieilenden Kornak eine Backschischmünze zuwarf. Der Wärter, der wie alle Kornaks der größeren Gelenkigkeit halber völlig nackt ging, ließ den Elefanten alsbald niederknieen, legte eine Leiter an und bat mich, auf den Rücken seines Pfleglings zu klettern, während das Tier ihn selbst mit dem Rüssel emporhob, so daß er sich auf seinen Platz, d. h. auf den Hals des Elefanten, schwingen konnte. Ein kleiner Junge, der wohl von meiner Proviantnot gehört hatte, kam eiligst angerannt, um mir außer einer großen Banane drei kleine Taubeneier anzubieten, die der Elefant mir auch gehorsamst in seinem Rüssel in die Höhe lieferte, die Banane aber dabei schlauerweise so fest gekrallt hielt, daß ich sie ihm gutwillig überlassen mußte; im Ziehkampf mit einem Elefanten hatte ich noch keine Erfahrung. So hungrig ich auch war, tröstete ich mich doch über die Einbuße der Bananenschote durch die Hoffnung, daß es wohl nur eine sogenannte Pferdebanane gewesen sei, an der sich ein Mensch den Magen zu verderben pflegt.

Zur Jagd gerüsteter Elefant.

Der Elefant marschierte stracks in den Wald hinein, wo ich auf einer Lichtung mindestens 200 der herrlichsten Tiere dieser Art versammelt fand; man hatte sie für die Jagd des Maharadschah zusammengebracht und dafür Sorge getragen, daß es sämtlich tigerfeste, tadellos dressierte Prachtexemplare waren. Gegen ein Rhinozeros hält aber auch der taktfesteste Elefant nur dann stand, wenn es dem Schützen gelingt, das Rhinozeros zwischen die Augen, allenfalls auch zwischen Auge und Ohr zu treffen, bevor es zu grunzen anhebt.

Schwerlich kann man sich eine noch großartigere Tierversammlung vorstellen, aber noch schwieriger wäre es zu unterscheiden, was mehr zu bewundern

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/302&oldid=- (Version vom 1.7.2018)