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daß beide das Anbrechen des Morgens mit Ungeduld ersehnen. Doch auch in der Frühe des nächsten Tages findet das junge Paar keine Ruhe, sondern muß in Gegenwart der Familie nach umständlichem Baden und Bekleiden ein symbolisches Spiel mit Kaurimuscheln spielen, wobei es darauf ankommt, daß der Gatte vor der Braut soviel Muscheln wie möglich anhäuft, um anzudeuten, daß er sie nie darben lassen werde; Kaurimuscheln galten und gelten auch jetzt noch im inneren Indien, im „Mofussil“ als Münze.

Kochende Brahmanenfrau (Tonmodell 1/5).

Hierauf folgt der große Augenblick, wo die Braut zum ersten Male den Namen ihres Mannes ausspricht, indem sie gleichzeitig einige Kochtöpfe voll Reis und Erbsen mit Deckeln verschließt. Als erstes gemeinschaftliches Frühstück werden dann Früchte, Gebäck und Süßigkeiten eingenommen, wobei die Gattin es sich widerstrebend gefallen lassen muß, daß ihr der junge Ehemann einige Leckerbissen, vor allen Dingen ein Stückchen Zuckerrohr, in das Mäulchen steckt, während die weiblichen Verwandten beten, daß die Hand des Gatten die Frau bis zu ihrem Lebensende ernähren möge. Bei dem bald darauf folgenden zweiten Frühstück, das aus einigen nahrhafteren Gängen, wie Gemüse-Curry und anderen Reisspeisen nebst Fischen und Erbsen besteht, speist jedoch die junge Frau nicht mehr in Gesellschaft des Gatten, sondern wie im späteren gewöhnlichen Leben erst nach ihm und in einem anderen Gemach, wobei sie es jedoch keineswegs als Geringschätzung auffaßt, den von ihm übrig gelassenen Reis verzehren zu dürfen; jeder Hindu von guter Kaste nimmt sich sehr in acht, Reis nur mit Angehörigen seiner eigenen Dschati aus derselben Schüssel zu nehmen, während bei Backwerk und Früchten diese Vorsicht für weniger nötig gilt.

Zuckerrohr-Verkäufer.

Bevor der junge Gatte mit der kleinen Gemahlin[WS 1] in sein Elternhaus zurückkehrt, wo diese sich aber gewöhnlich zunächst nur kurze Zeit oder mit zeitweiliger Rückkehr zu ihrer Familie aufhält, müssen von den beiderseitigen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: klein: Gemeint ist nicht etwa Körpergröße oder Alter. „kleine Frau“ ist eine vielseitig verwendbare Koseform für die Gattin im 19. und frühen 20. Jahrhundert.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/282&oldid=- (Version vom 1.7.2018)