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herumzustreifen, so wenig ziemlich dies auch in den Augen der Engländer für einen Europäer ist. Fast jeder Schritt bringt irgend eine Überraschung. Dort kommt ein mohammedanischer Vogelhändler mit Käfigen voll kleiner Vögel, die mitleidige Hindus oder Buddhisten kaufen, um ihnen alsbald die Freiheit zu schenken. Dicht neben dem Laden des Zuckerbäckers kriecht und windet sich ein armer, splitternackter Krüppel mit einem verhungernden Kindchen im Staube der Straße herum und sammelt beträchtliche Massen von Kupfermünzen in einem Blechgefäß. Unweit davon schläft ein nackter Kuli matt und müde langausgestreckt an einer Mauer, daneben kauert sich ein anderer nieder, um sich gründlich und ausdauernd die Zähne zu säubern, während weiterhin auf einem freien Platze jemand seinen guten Freund massiert und sich dabei wenig um die Grimassen kümmert, die sein Opferlamm bei dem rücksichtslosen Bearbeiten seiner Muskeln und Gelenke zu schneiden sich veranlaßt sieht. Dazwischen kommt ein Musikant einhergewandert, der auf einer unmäßig lang gehalsten Gitarre herumklimpert. Hie und da gelingt es uns auch, einen Blick in die nur teilweise durch Vorhänge geschlossenen Räume und Höfe zu werfen, in denen die weiblichen Wesen sich aufzuhalten und sich bei ihren Toilettenkünsten hilfreich Beistand zu leisten pflegen.

Mit wahrer Überraschung entdeckt man inmitten dürftiger Vorstadthäuser eines der zierlichsten Architekturbilder von Kalkutta, einen Tempel der Dschainsekte[WS 1], die, wie ich bereits an anderer Stelle ausführte, es sich ganz besonders angelegen sein läßt, die Lauterkeit

ihres Lehrgebäudes durch möglichst

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Tempel der Dschainsekte: vergleiche Calcutta Jain Temple (en)
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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/253&oldid=- (Version vom 1.7.2018)