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dann mit einer kleinen Eisenkelle zusammengekratzt. Mit äußerster Strenge achten die Aufseher darauf, daß hierbei nichts von dem kostbaren Opiumsaft veruntreut oder vergeudet wird, ja selbst die Waschwasser der zum Pressen der Opiumklumpen dienenden Holzformen werden eingedampft, um die darin etwa gelösten Opiate zu gewinnen.

Einritzen der Mohnkapseln und Sammeln des Opiumsaftes.

Inzwischen ist es beinahe Abendessenszeit geworden. Das Rasthaus für europäische Reisende in Benares, der Dak-Bungalo[WS 1], ist leidlich behaglich; der Koch hat ein delikates Huhn mit Reis gekocht und hat es sogar auf mein ausdrücklichstes Bitten nicht bei lebendigem Leibe gerupft, obgleich ihm das sonst unendlichen Spaß bereitet — was will man mehr? Und doch sollte mir dieser eindrucksreiche Tag in Benares noch einen ganz besonderen, beinahe scherzhaften Triumph eintragen, zu dessen Verständnis ich jedoch etwas vorausschicken muß. Nach der Heimkehr von meiner ersten, dem Himalaja gewidmeten Indienreise im Jahre 1890 hatte ich den begreiflichen Wunsch, die Originalplatten meiner wichtigsten Photographien aus diesem Gebirge angemessen zu verwerten und reiste deshalb nach England.

Bei dieser Überfahrt nach England kam ich mit einem anderen Reisenden, einem Seidenfabrikanten aus Krefeld[WS 2], ins Gespräch. „Bilden Sie sich ja nicht ein, daß ein Engländer einem Deutschen irgend etwas abkauft, was er nicht sehr dringend braucht, oder was nicht etwas ganz Unerhörtes ist. Falls Sie nicht ein Kalb mit sechs Beinen mitbringen, machen Sie keine Geschäfte! Sehen Sie hier, das brauchen die Engländer!“ Dabei blätterte er mit gerechtem Stolz sein Musterbuch mit entzückend schönen Seidenproben auseinander.

Der gute Mann hatte ganz recht; ich erntete wohl manches Wort der Bewunderung, aber kein Geld. Meine Schätze galten nicht als „Wunderkalb mit sechs Beinen“.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Dak-Bungalo: vergleiche Dak bungalow (en)
  2. WS: Krefelder Seide: vergleiche Krefelder Industrie ab dem 18. Jahrhundert, Seidenbaron, Haus der Seidenkultur
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/244&oldid=- (Version vom 12.7.2018)