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Ein Todeskandidat.

Die unerläßliche Sorge, das Kastenvorrecht der einflußreichen Brahmanen zu wahren, tritt selbst hier im Gefängnis zu Tage. Die eingesperrten Brahmanen dürfen bei ihrer Arbeit nicht allein hübsch unter sich bleiben, sondern selbst das Essen erhalten diese Herren Gefangenen aus einem Extrakessel, in dem nur Köche in dem Reisbrei herumrühren dürfen, die gleichfalls die heilige Schnur der Brahmanen um die Schultern tragen. Hat aber gar ein Spitzbube oder sonstiger der Brahmanenkaste angehörender Verbrecher die in den indischen Gefängnissen wieder recht nötig gewordene Prügelstrafe verwirkt, so wird ihm die neunschwänzige Katze nur von einem Mitgefangenen aus ebenso hoher Kaste verabreicht.

Jammergeheul eines soeben Gepeitschten dringt an unser Ohr; doch während wir dem Schalle nachgehen, öffnet sich plötzlich klirrend eine Kerkertür vor uns, und heraus tritt ein Sträfling, Todesgrauen in den energischen Zügen. Es ist ein im Kriege gegen Birma gefangener und wie ein gemeiner Verbrecher ins Zuchthaus gesperrter Häuptling der Eingeborenen, jetzt ein verlorener Mann der, wegen Widersetzlichkeit zum Tode verurteilt, nunmehr seinen letzten Gang anzutreten im Begriff steht.

Mahlende Frauen.

So stürmt ein erschütternder Eindruck nach dem anderen auf unsere Nerven ein, aber doch drängt es uns, noch weitere Umschau zu halten. Nach einigem Widerstreben wird uns auch das Frauengefängnis geöffnet, zunächst die Kornmühle. Welches Knirschen, Knarren, Rollen und Rauschen der wuchtigen Mühlsteine betäubt dort unser Ohr! Je zwei Frauen ergreifen die Handhabe des oberen Steines und drehen ihn, von Zeit zu Zeit Getreide durch ein darin angebrachtes

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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/242&oldid=- (Version vom 1.7.2018)