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unter den Eingeborenen entstanden, namentlich mit den über die Bergvölker im Innern gebietenden und nach Unabhängigkeit trachtenden Herrschern. Nachdem diese von den Portugiesen die Herstellung von Feuerwaffen gelernt hatten, überflügelten sie bald die fremden Lehrmeister in dieser Kunst, setzten den Eindringlingen immer härter zu und engten sie schließlich so dicht ein, daß Hungersnot unter den Belagerten ausbrach, wobei die Portugiesen selbst die Leichen ihrer Gefallenen eingesalzt und verhungernde Mütter sich mit ihren eigenen Kindern gesättigt haben sollen! So oft aber die Portugiesen in diesen Drangsalen einen vorübergehenden Erfolg errangen, hausten sie schlimmer als blutgierige Bestien in dieser idyllischen Umgebung Kolombos, durch die wir soeben dahinfahren; den Tapfersten der eingeborenen Gefangenen rissen vertierte portugiesische Soldaten in abergläubischer Gier sogar das Herz aus dem lebendigen Leibe, um das Blut daraus zu verschlingen! So war es kein Wunder, daß diese Grausamkeiten zu einem wahrhaft entsetzlichen Blutbade ausarteten, als im Innern der Insel ein Gegenkönig[WS 1] ausgerufen wurde und dieser mit 50 000 Kriegern und 2000 Elefanten vor Kolombo marschierte. Wer unter den Küstenbewohnern auch nur im geringsten verdächtig schien, dem anrückenden Heere hold zu sein, wurde von den Portugiesen ohne weiteres niedergemetzelt; Kinder wurden vor den Augen ihrer gefesselten Eltern Krokodilen vorgeworfen und zuvor mitleidlos bei lebendigem Leibe in Stücke zerhackt, um ihnen erst noch schnell die goldenen Spangen von Händen und Füßen abstreifen zu können.

Durch diese kritischen, gärenden Zustände wurde Portugal genötigt, die Insel Ceylon nach und nach mit 20 000 Soldaten zu überschwemmen, so daß durch diese ungeheuren Kriegskosten die Handelserträge mehr als aufgebraucht wurden. Hätten die Portugiesen übrigens nicht die vom Gegenkönig bedrohten eingeborenen Fürsten auf ihrer Seite gehabt, so würden sie zweifellos bald mit Stumpf und Stiel ausgerottet gewesen sein. Aber selbst während dieser 150 Jahre lang tobenden Unruhen und Kämpfe blühte der Hafenplatz Kolombo durch den dort stetig lebhafter werdenden Handelsverkehr und die zunehmende Ansiedelung wohlhabender Portugiesen.

Doch gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts änderte sich die Lage. Die durch den Fanatismus Philipps des Zweiten von Spanien[WS 2] gereizten Holländer erschienen in der Heimat der köstlichen indischen Waren, die sie bisher immer nur in Lissabon für teures Geld eingehandelt und von dort nach Holland weiter verfrachtet hatten. Sie hielten es sofort mit dem inzwischen zum Kaiser ausgerufenen Gegenkönig aus dem Innern[WS 3], kaperten zum überzeugenden Beweis ihrer Gesinnung einen reichbeladenen portugiesischen Kauffahrer, den sie dem Sinhalesenkönig schenkten, und hatten bald die Genugtuung, in der Bergresidenz Kandi[WS 4] festlich empfangen zu werden, wobei alle gefangenen Portugiesen mit abgesäbelten Ohren vor den neuen weißen Ankömmlingen vorbeiziehen mußten.

Doch so ganz traute der Kaiser auch den neuen weißen Freunden aus

Holland nicht; aus Furcht vor ihrer so nachdrücklich auf den Plan getretenen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Rajasingha I. von Sitawaka (regierte 1581-1592)
  2. WS: Philipp II. (König von Spanien und Portugal in Personalunion)
  3. WS: Rajasingha II. von Kandy (regierte 1629–1687)
  4. WS: Kandi: vergleiche Kandy
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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/24&oldid=- (Version vom 16.7.2018)