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das mit frischer schwarzer Farbe gedruckte Wort money! Mit blitzschnellem Griff packte ich den Gaukler beim Handgelenk, zerrte seine zusammengekrallten Finger auseinander und entdeckte in seiner Hand das darin anscheinend mittels eines Stempels aufgetragene Spiegelbild jenes Wortes, das er in der meinigen als Inbegriff meiner Wünsche zum Vorschein gebracht hatte.

Nachdem ich diesen Vermittler der Geisterschrift entlarvt hatte, vertraute mir auch der Aufwärter des Wartesaals, der meinem Diener nicht hold zu sein schien, daß er beobachtet habe, wie der Zaubermann in der letzten Nacht meinen Diener längere Zeit im geheimen ausgeforscht, auch in meinen Briefschaften herumgekramt und darin studiert hätte — eine Aufklärung, die mich über den gewaltigen Eindruck, die die wunderbare Wahrsagerei tatsächlich auf mich gemacht hatte, fast schamrot werden ließ.

Als echte Garnisonstadt bietet Kahnpur alle Unterhaltungen einer solchen, also namentlich Sportübungen, Bälle, Picknicks und dergleichen; die zum Gedächtnis der Ermordeten begründeten Parkanlagen, in die kein Eingeborener jemals den Fuß setzen darf, gehören zu den schönsten Gärten in Indien und ließen mich mit Wehmut von diesem Orte scheiden.

Auch in Laknau, der ehemaligen Hauptstadt des Königreichs Audh, fehlt es nicht an Erinnerungszeichen, daß die im Aufstandsjahre 1857 darin weilenden 1700 Europäer nebst 500 indischen Dienstboten und Soldaten bei einem Haare genau von demselben Schicksale ereilt wurden, wie jene in Kahnpur eingeschlossenen; hier in Laknau hatte jedoch der Befehlshaber Lord Lawrence[WS 1], in der Voraussicht, daß sich die Indier nicht ohne Widerstand völlig zertreten lassen würden, für ausreichende Vorräte gesorgt, eine Maßregel, die der Kommandant von Kahnpur, Sir Hugh Wheeler[WS 2], in unbegreiflicher Verblendung völlig außer acht gelassen hatte.

Ruine der Gesandtschafts-Residenz in Laknau;
rechts Denkmal, in der Mitte Erinnerungskanone.

Es gibt wohl nur wenig Orte auf der Welt, die so melancholisch zu stimmen vermöchten, wie die absichtlich als zerschossene Ruine erhaltene Residenz,[WS 3] worin der Gesandte Englands an dem einst so üppigem glanzvollen Hofe des Königs von Audh lebte und worin sich die Europäer gegen den Ansturm der Aufständischen verschanzten. Durch zahlreiche Inschriftstafeln und Denkmäler wird man auf Schritt und Tritt an die von den Belagerten fast fünf heiße

indische Sommermonate hindurch erlittenen Qualen, die namentlich für die

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Lord Lawrence: vergleiche Henry Montgomery Lawrence
  2. WS: Sir Hugh Wheeler: vergleiche Hugh Wheeler (Offizier)
  3. WS: Residenz-Ruine: vergleiche The Residency, Lucknow (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/219&oldid=- (Version vom 1.7.2018)