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doch nicht umhin, eine gewiß ganz fürchterlich klingende homerische Lache aufzuschlagen, als ich das verdutzte Gesicht des nackten, alten Hinduknaben im Wasser neben mir auftauchen sah, der sich zitternd und stöhnend seinen glatten braunen Rücken mit beiden Händen zu massieren begann.

Mich krümmend und schüttelnd vor verdrießlichem Lachen, schleppte ich humpelnd meine Gerätschaften an dies durch unvergleichlich tragische Ereignisse berüchtigte Gestade, schickte dann den Diener nach meinem etwa einen halben Kilometer entfernt stehenden Wagen und fuhr zum nächsten englischen Militärarzt, um meinen Fuß bandagieren zu lassen; ich vernahm dort, daß ich ihn nach mehrtägiger völliger Schonung wieder einigermaßen würde gebrauchen können.

Zunächst fuhr ich nach dem Bahnhof, um meine übrigen dort zurückgelassenen Gepäckstücke abzuholen und damit nach einem Hotel zu kutschieren. Als ich aber bemerkte, wie hübsch sich das rege Getümmel bei den hier häufig verkehrenden Zügen vom Wartesaale aus beobachten ließ, schlug ich darin mein Feldbett auf und hatte dadurch ein vortreffliches Mittel gegen die sonst bei derartigem Zimmerarrest unausbleibliche Langeweile gefunden. Die Krämer der Stadt machten mir mit ihren indischen Erzeugnissen in dem Wartesaal unablässig ihre Aufwartung, auf den Bahnsteigen folgte ein fesselndes Bild auf das andere, und auf der anderen Seite des Gebäudes drängte sich von früh bis spät eine neugierige Menge von Pilgern und Teilnehmern an dem großen Hindufeste, die den weder ins Wasser gefallenen, noch ins Wasser geworfenen und doch unfreiwillig in den Ganges geratenen Sahib anstaunen wollten. Zu guter Letzt fand sich auch jener würdige Hindu ein, der mir als Sprungpolster gedient hatte, um sich ein kleines Schmerzensgeld für seinen bedenklich angeschwollenen Rücken auszahlen zu lassen.

Auch allerhand Gaukler und ein berühmter Wahrsager sprachen bei mir vor und vertrieben mir mit ihren Künsten die Zeit, so daß sie wie im Fluge verrann. Mit wahrhaft verblüffender Sicherheit erzählte mir der fortune-teller allerlei Vorkommnisse meiner bisherigen Reise; dann verriet er mir Dinge, die der Gegenstand meiner Korrespondenz mit den indischen Behörden gewesen waren und wußte auch, wieviel und was für Banknoten ich in der Brieftasche hatte, so daß ich schon anfing, an die Existenz spiritistischer Wunder zu glauben. Schließlich wollte der Chiromant[WS 1] einen Haupttrumpf ausspielen, indem er behauptete, in meiner Hand würde das erscheinen, was ich mir am lebhaftesten wünschte! Nachdem ich für dieses verlockende Kunststück ein beträchtliches Extrahonorar bezahlt hatte, trieb er mit meiner Handfläche einigen Hokuspokus, untersuchte nochmals ihre Linienverästelung, drückte sie dann leise mit der seinigen und bat mich, die Uhr in die andere Hand zu nehmen und erst nach drei Minuten die untersuchte Hand anzusehen, in der dann das von mir Gewünschte erscheinen würde; hierauf beeilte sich der große Mann, seine Habseligkeiten in einen Beutel zusammenzuraffen, hastig seine Salam-Verbeugungen[WS 2] zu machen und seinen Abschied zu nehmen. Ich konnte der Versuchung nicht

widerstehen, die verzauberte Hand rasch zu öffnen und fand auf ihrer Fläche

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Chiromant: vergleiche Chiromantie
  2. WS: Salam-Verbeugungen: vergleiche Salām
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/218&oldid=- (Version vom 1.7.2018)