Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/217

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Ich wußte mir tatsächlich keine Rettung. Vor allen Dingen suchte ich die Taschen zu retten, in denen sich die Kassetten mit meinen bisherigen Aufnahmen befanden; diese hängte ich um die Schulter, schraubte dann die mächtige Kamera für 24X30 Centimeter-Platten vom Stativ, nahm sie in die linke Hand und versuchte, mit Hilfe des Stativs wie mit einer im rechten Arm gehaltenen Lanze eine Lücke in die mich nunmehr beinahe berührende Menschenmauer zu treiben und mir dadurch einen Ausweg ins Freie zu bahnen.

Mit Asche von verbranntem Kuhdünger weißgepuderte Büßer.

Doch versuche nur einmal jemand, sich durch eine aufgeregte und unberechenbare Masse von mindestens tausend Menschen ohne Verübung häßlicher Gewalttaten zu drängen! Als Nichtengländer wollte ich es nicht auf einen brutalen Boxkampf mit britischen Untertanen ankommen lassen, sondern rückte zollweis der äußersten Mauerkante näher, bis mir kein anderer Ausweg übrig blieb, als mein Gesicht gegen die Angreifer zu wenden, und mit all meinen sieben Sachen, Kamera, drei Kassettentaschen, Stativ, Dunkeltuch und Sonnenschirm in das Wasser zu springen, worin ich bisher keinen Badenden wahrgenommen hatte. Sobald ich auf diese Weise und nicht einmal, wie die Taschenspieler zu sagen pflegen, „ohne alle Apparate“ von der Bildfläche völlig verschwunden war, kam die ganze Menschenmenge sogleich ins Stocken.

Ich fühlte sofort, daß ich nur mit dem einen Fuß auf den Boden des nur etwa metertiefen Wassers aufstieß, der andere trat auf etwas zum Glück ziemlich Weiches und Rundes, was sich als ein Teil des Rückens eines älteren Hindus entpuppte, der während seines Bades oder vielleicht auch aus Neugier wegen dieses noch nie dagewesenen Schauspiels gerade in diesem Augenblick unter jenen Mauervorsprung geraten war; der arme Mann schreckte jedenfalls nicht schlecht zusammen, als ich, ohne seine Gegenwart zu ahnen, auf ihn heruntergesaust kam!

Trotz der Überzeugung, daß mein umgeknickter Fuß zum mindesten eine böse Verstauchung, wenn nicht gar einen Bruch davon getragen hatte, konnte ich

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/217&oldid=- (Version vom 1.7.2018)