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und anderer Eingeborener, die seitlings auf dem Rande ihres Fahrzeuges hocken müssen, weil dies zu eng ist, um darin die Beine nebeneinander stellen zu können. Die sonderbaren Auslegerbalken, die dem Umkippen dieser Boote, gewissermaßen als außerhalb angebrachter Kiel, vorbeugen sollen und die stets an der Windseite festgemacht werden, sind bereits Wahrzeichen eines anderen Weltteiles, die weder die Araber in Sues noch die Somalis in Aden benutzen.

Der erste Eindruck der viel gepriesenen Insel ist so prosaisch, daß er wohl jeden erwartungsvollen Ankömmling enttäuscht. Vor allen Dingen wird uns im Zollhause eine Eingangssteuer von etwa sechs Prozent vom Werte der eingeführten Waren abgezwackt, wobei jedoch der Begriff „taxfreies Touristengepäck“ ziemlich willkürlich gedeutet zu werden scheint; für meine photographischen Geräte hatte ich das eine Mal eine beträchtliche Abgabe, bei einem früheren Besuche aber nicht das mindeste zu zahlen, und ähnlich verhielt es sich mit der Kofferdurchsuchung, die bald mit äußerster Strenge, bald überhaupt nicht stattfand. Neben der Zollstation warnt eine Inschrift höflichst vor dem Sonnenstich, indem sie daran erinnert, unsere Schirme behutsamst aufzuspannen. Weiterhin lockt eine schmucke Laube, uns von der Zollplackerei bei einer Tasse Ceylon-Thee zu erholen, der, gewiß nicht zum Vergnügen der reisenden chinesischen Kaufleute, allenthalben durch Riesenplakate angepriesen wird, die zumeist um Palmstämme herumgeklebt sind; überhaupt mag den chinesischen Theehändlern himmelangst werden, wenn sie nicht nur die reißend wachsende Theeproduktion Indiens, sondern auch die in Nordamerika und am Kaukasus mit Theeanpflanzung erzielten Erfolge bemerken. Dieser Theebude gegenüber zieht sich eine schier unabsehbare Reihe gemauerter Speicher am Hafendamme entlang, in denen die Pflanzungserzeugnisse aufgestapelt werden.

Gastlich lachen uns beim Landen die hohen Fenster des — wie es der Engländer abkürzend ausspricht — Dschi Oh Ehtsch, will sagen des „Grand Oriental Hotel“ ins Gesicht; sie versprechen kühle Gemächer, luftige Hallen und sehr vornehme Rechnungen. Das hastige Fluten der stetig Ab- und Zureisenden, der Seekranken und Sehlustigen bietet beim Kommen und Gehen der hier täglich neu auftauchenden Ozeandampfer ein Schauspiel, wie es ergötzlicher gar nicht gedacht werden kann. Was wälzt sich dann auf das zu anderen Stunden so verlassen dastehende Hotel zu! Schnell reich gewordene und entsprechend rüpelhafte australische Emporkömmlinge, stille vornehme Asiaten, schlichte blonde Missionare aus Skandinavien, einsilbige, kühle Lords, elegante, gesprächige Franzosen, kurzgeschürzte amerikanische Radlerinnen mit jugendlichem Gebaren und eisgrauem Haar, und unter den massenhaften, fesch herausstaffierten Globe-Trotter-Touristen eine Blütenlese durchtriebener Hochstapler und Abenteurerinnen aller Rassen und Zungen.

Behaglicher und weniger unruhig geht es in dem in der Richtung nach

Point de Galle[WS 1] am Meeresstrande gelegenen Gall Face Hotel zu, das ebenso wie das treffliche Hotel Becker in Singapur zeigt, daß ein menschlicher Magen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Point de Galle: vergleiche Galle (Stadt)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/21&oldid=- (Version vom 16.7.2018)