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Meister dieser Technik nur Gutes herstellen, gibt es doch genug, die dem Zuge der Zeit folgen und wohlfeile Geräte ähnlicher Art, aber ohne jeden künstlerischen Wert auf den Markt bringen und versuchen, sie dem Fremden zu hohen Preisen aufzuschwatzen. Kein verlorenes Geld schmerzt so wie das Lehrgeld, das jeder Neuling für derartige Erfahrungen anlegen muß.

Fenstergitter aus Marmor-Filigran.

Schließlich aber darf in diesem Kranze Adschmir nicht fehlen, das, bereits im siebenten Jahrhundert von Mohammed Kassim[WS 1] bedroht, sich mit Hilfe tapferer Radschputen vier Jahrhunderte hindurch der Mohammedaner erwehren konnte, dann aber für lange Zeit zum Mittelpunkte des Islam wurde, der die alten, herrlichen Hindutempel der Dschainsekte durch Zerstörung oder Entfernung aller an den Brahminenkult erinnernden mythologischen Figuren in Moscheen verwandelte. Hier spielte sich im Jahre 1615 in einem Sommerpalast an den Ufern eines Sees eine der folgenschwersten Szenen der Weltgeschichte ab, indem Dschehangir[WS 2] inmitten einer prachtvollen Durbarversammlung seiner Großen zwischen zwei lebenden weißen Hirschen thronend den demütig Geschenke darbringenden Lord Roe[WS 3] empfing und den Engländern die bescheiden nachgesuchte Erlaubnis gewährte, in Indien etwas Handel zu treiben. Welch ein Gegensatz zu der neuen Zeit, wo es ein englischer Beamter fertig bekam, einige der am schönsten ziselierten Säulen aus dem Haupttempel herausbrechen zu lassen, um daraus einen Triumphbogen für den bevorstehenden Besuch des Vizekönigs in Adschmir zu bilden[WS 4]!

Auch im übrigen ist Adschmir der Hintergrund merkwürdiger, verklungener Geschehnisse, deren Wahrzeichen mehr und mehr verschwinden. Zu den seltsamsten gehören die ganz ungeheuren Kochtöpfe und bronzenen Riesenkessel, in denen wohltätige Reiche an hohen Festtagen wahre Puddingberge mit Reis, Mandeln und Butter kochen und den Armen der Stadt Adschmir zur Verfügung stellen ließen, die sich an diesem Tage wie im Schlaraffenlande gefühlt haben müssen.

Kein indischer Stamm hat den mohammedischen Eindringlingen in Indien

mehr zu schaffen gemacht und wirksamer das Gegengewicht gehalten, ja sie

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Mohammed Kassim: vergleiche Muhammad ibn al-Qasim
  2. WS: Dschehangir: vergleiche Jahangir, regierte 1605-1627
  3. WS: Lord Roe: vergleiche Thomas Roe, 1581-1644
  4. WS: Triumphbogen: Arkadensäulen der Großen Moschee, anlässlich eines Durbars von Lord Mayo mit radschputischen Führern im Oktober 1870
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Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 157. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/209&oldid=- (Version vom 1.7.2018)