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noch andere Perlen, die einst den Radschputen gehörten: das herrliche Adschmir, Alwar und Udeipur[WS 1], landschaftlich wohl die bevorzugteste Stadt der Radschputana, deren Bewohner für besonders mutig und unternehmend galten. Der europäischen Kultur am meisten geneigt sind jedoch die Radschputen von Dscheipur.

Marmorthron im Hofe der Burg Dschodpur.

Es kann keinen größeren Unterschied zwischen den Erscheinungen zweier Städte desselben Volksstammes geben als den zwischen Dschodpur und Dscheipur, dort altes Indien, hier modernes, womit aber nicht etwas gesagt sein soll, verengländertes Indien. Nein, auch Dscheipur ist eine durchaus indische Stadt und von einem so besonderen Gepränge, daß man es niemals vergißt; man könnte es eine Stadt der Augenverblendung nennen. Was die Baumeister der alten Städte in solider Steinmetzarbeit ausdrückten, ist hier dem Stuck übertragen; rosa getünchtes Mauerwerk an Stelle rötlicher Sandsteine und bläulicher Marmorquadern, Zuckerbäckerei an Stelle von Bildhauerkunst, Kulissenschein statt soliden Reichtums!

Neben dieser vorwiegenden Rosafärbung, die einer Mischung von Milch mit Himbeersaft gleicht, prägt sich auch die weite, lichte Straßenanlage ein, die nichts von dem Gewirr enger Gäßchen und Durchgänge älterer indischer Städte kennt. Die Stadt enthält keine alten Teile, da sie erst im Jahre 1728 gegründet und nach einem sehr übersichtlichen und einfachen Plane erbaut wurde. Die Hauptstraße, an der die bedeutendsten Gebäude liegen, wurde durchweg 35 Meter, ihre Querstraßen aber nur halb so breit gemacht, während deren Verbindungsstraßen abermals um die Hälfte schmäler sein müssen.

Vielen Besuchern Dscheipurs wird wohl der mit allem möglichen Luxus ausgestattete siebenstöckige Palast des Maharadschah den größten Eindruck machen, zu dem dieser durch eine nur für ihn geöffnete Pforte, das Publikum durch ein im übrigen mit sehr kindlichen Malereien bedecktes, weißgetünchtes Parktor Zutritt findet; ich muß aber gestehen, daß mich weit mehr das sogenannte „Observatorium“ fesselte, das der Begründer Dscheipurs wie in einigen anderen Städten so auch hier erbaut und mit von ihm ersonnenen astronomischen Werkzeugen angefüllt hat[WS 2], die freilich jetzt bis auf die aus Mauerwerk bestehenden Träger der Fernrohre wieder verschwunden sind. Dieser fürstliche Sternschauer soll geäußert haben, daß ihm die Durchforschung des Himmelsraumes mehr

Freude bereite als alle anderen irdischen Genüsse, und es muß demnach

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Adschmir, Alwar, Udeipur: vergleiche Ajmer, Alwar, Udaipur
  2. WS: vergleiche Jantar Mantar
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 142. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/192&oldid=- (Version vom 1.7.2018)