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Jesdedschird[WS 1] von den Mohammedanern aus Persien vertriebenen und in Bombay wohlwollend und tolerant aufgenommenen Anhänger der Lehre Zoroasters[WS 2] durch skrupellosen Geschäftssinn neben den von ihnen geschickt umschmeichelten Engländern fast zu Herren über Bombay, um nicht zu sagen ganz Indien, aufgeworfen; das Großkapital, die Geschäftsvermittlungen und die Presse sind überwiegend in ihren Händen, und sie wissen diese Machtfaktoren gehörig zu gebrauchen. Sicherlich wäre ihre Betriebsamkeit, ihr Zusammenhalten, ihr Unternehmungsgeist und Wohltätigkeitssinn nur zu rühmen, wenn nicht von Kennern der Verhältnisse behauptet würde, daß ihre Loyalität gegen die Engländer wohl nur der Gemeinschaftlichkeit der Handelsinteressen und dem Respekt vor ihrer politischen Macht, die erwähnten milden Stiftungen aber weniger ihrer Hochherzigkeit als vielmehr einem stark entwickelten Reklamebedürfnis entsprängen. Jedenfalls leugnet niemand den in allen Kreisen Indiens bedenklich anwachsenden, teils stillen, teils lauten Haß gegen die immer mehr zu Tage tretende Überhebung der Parsis, die in ihren faltigen, schneeweißen oder pechschwarzen und dann eng anliegenden Gewändern sowie mit ihren hohen, schwarzen Kopfbedeckungen aus Glanzleder, die an jene auf den Königsbildern des Darius erinnern; überall auffallen und durch ihr geschäftiges Wesen viel zahlreicher erscheinen, als sie wirklich sind. Mir versicherten brahminische wie mohammedanische Indier in Bombay wiederholt: wir beide vertragen uns gegenseitig eigentlich ganz gut, aber wenn uns die englische Regierung einen Herzenswunsch erfüllen will, braucht sie nur für fünf Minuten die Augen zuzudrücken, damit wir in dieser Zeit unsere gemeinschaftlichen Feinde, die Parsis, samt und sonders mit Knüppeln totschlagen können!

Ein großer Irrtum wäre es, die Parsis kurzerhand als Feueranbeter[WS 3] zu bezeichnen, da sie in der Sonne und im Mond, wie im Feuer, dem Wasser und der Erde nur Symbole der allmächtigen Gottheit verehren. Herrlich und ganz unvergleichlich sieht es aus, wenn in zarte, helle Farben gekleidete Parsifrauen und Mädchen in bezaubernd anmutigen Gruppen am Meeresstrande stehen, um im Scheine des sinkenden Tagesgestirns Blumen und selbst Süßigkeiten als Opfergaben in das nasse, endlos vor ihnen liegende Element zu streuen.

Karren mit Ballen roher Baumwolle.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Jesdedschird: vergleiche Yazdegerd III., regierte 632 bis 651.
  2. WS: Zoroasters: vergleiche Zarathustra, Zoroastrismus.
  3. WS: Feueranbeter: vergleiche Feuertempel
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/175&oldid=- (Version vom 1.7.2018)