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Ichneumon gegen dessen Todfeind, die Kobraschlange, ein anderer zaubert solche garstigen Reptilien scheinbar aus dem losen Straßensande hervor, und ein dritter läßt seine abgemergelten, mit roten englischen Soldatenjäckchen angeputzten Äffchen auf spindeldürren Ziegen oder Hunden herumgaloppieren.

Wir klettern in die Gari[WS 1], die Droschke, einen wahrhaften Schwitzkasten, der Diener setzt sich neben den Kutscher, der Pferdejunge oder Sais schwingt sich hinten auf, und dann geht es vorwärts. Wir sausen vorüber an dem Grasplan des University Garden und dem stattlichen University Tower, einem kirchturmähnlichen Erinnerungszeichen,[WS 2] das der reiche Indier Prembschand Raitschad[WS 3] seiner Mutter Radscha Bai errichtet hat, vorüber an wohlgepflegten Gartenanlagen mit herrlichen Fächerpalmen und Marmorstatuen von Bombays Wohltätern, zumeist reichen Parsis[WS 4], vorbei an der Fontäne vor den gotischen Riesenkasernen des Hauptpostamtes[WS 5] und des Public Work Office, und schließlich auch vorbei an dem verblüffenden Prunkgebäude des Hauptbahnhofes, dem blaßgrauen Sandsteinpalast der Viktoria Terminus Station. Es kann keinen verblüffenderen Mischmasch von indischen und gotischen Motiven geben, als den wunderlichen Renaissancestil dieses Bahnhofes, auf dem sich ein Wald von sechzig kleinen Türmchen um vier kugelförmige Spitzen und eine große und zwei kleine Kuppeln gruppiert. Eine Viktoria prangt auf der Mittelkuppel, heraldische Figuren, zwei Riesenrosetten, eine Uhr und zahlreiche Reliefs zieren die Front, die, von nicht weniger als 230 Fenster- und Türöffnungen durchbrochen, wie ein prachtvolles, säulenreiches Gitter oder Spitzenwerk aussieht. Doch in dieser Schreckenszeit der Pest treffen verhältnismäßig wenige in diesen weiten Bahnhofshallen ein, und nur Gesundbefundene dürfen der fluchbeladenen Stadt und ihrem Verhängnis mit Dampfkraft zu enteilen versuchen. Wem bereits die Pestilenz die Farbe des Todes auf die Stirne gehaucht hat, wird mit Gewalt gehindert, die Bakterien der Beulenpest in andere Gebiete zu übertragen.

Beim Bahnhof sind wir an der Grenze des Forts; bei den herrlichen Markthallen am Crawford Market[WS 6] beginnt bereits die „schwarze“ Stadt. Zunächst freilich finden wir noch keinen auffallenden Unterschied in den Gebäuden; Ehrgeiz der Hausbesitzer und wohl auch obrigkeitlicher Befehl haben hier die einstigen Bazarschuppen verschwinden und große, gewölbereiche Kaufhäuser mit gedeckten Balkongalerien und einfachen, aber geschmackvollen Verzierungen durch Gitter erstehen lassen. Nur das Straßengetriebe ist bereits völlig verschieden von dem im Fort; der Europäer mit seinem weißen Sonnenhut ist hier wie mit einem Schlage verschwunden, und die zweirädrige Ochsenkutsche der Eingeborenen ist an die Stelle der von Pferden gezogenen Wagen getreten. Durch die Abdul Raman Street[WS 7] könnten wir das hier am Crawford Market beginnende Bazarlabyrinth nach Norden zu in der Pferdebahn durchfahren, aber der Europäer, der etwas auf sich gibt, benutzt dieses Fuhrwerk nicht gern, dessen Einführung übrigens den Kastengeist der Hindus ebensowenig zu beeinflussen

vermochte, wie die Eisenbahnen, wo sich auch die Reisenden stets Abteile mit gleichartigen Insassen aussuchen. Der orthodoxe Brahmane wartet lieber zehn

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Gari: vergleiche Gari (vehicle) (en)
  2. WS: University Garden/Tower: vergleiche File:Bombay University Garden (Bild) sowie Rajabai Clock Tower
  3. WS: Prembschand Raitschad: vergleiche Premchand Roychand
  4. WS: Parsis: vergleiche Parsen
  5. WS: Hauptpostamt: vergleiche General Post Office (Mumbai)
  6. WS: Crawford Market: vergleiche Mahatma Jyotiba Phule Mandai (en)
  7. WS: Abdul Raman Street: Abdul Rehman St.
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/166&oldid=- (Version vom 1.7.2018)