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hätten die Tiere eine Ahnung davon, wie wohltätig sie auf das menschliche Lachbedürfnis wirken.

Mit leuchtendem Rot und Gelb werden nach vollbrachtem Bade Stirn, Rüssel und Ohren der Dickhäuter in allerlei Mustern verziert, wodurch zugleich die Stirnzeichen verspottet werden sollen, mit denen die brahminischen Hindus sich und ihre Tempelelefanten bemalen, denn geärgert müssen die andersgläubigen Mitbürger werden, wo immer es angeht. Natürlich rächen sich diese dafür an anderen Orten, wo die Moslems in der Minderzahl sind, durch heimliches Anbinden von Schweinen in den Vorhöfen der Moscheen oder ähnliche sinnige Aufmerksamkeiten.

Nach der Bemalung werden die Elefanten aufgezäumt. Auf den Kopf kommt eine riesige Kappe, scharlachrot mit goldner Borte, auf den Rücken eine ebensolche Decke mit reicher Goldstickerei; Dutzende von Händen sind behilflich, auf diesen Rücken dann die ungeheueren, aus Silber und Gold getriebenen Haudahsessel[WS 1] zu schnallen. Über den Haudahs wölben sich scharlachfarbene, goldstrotzende Baldachine, die das Haupt des Neisams und anderer Nawabs des Dekhans[WS 2] oder der Würdenträger des Reiches während des Umzuges vor der sengenden Tropensonne schützen sollen. Schließlich werden goldene Ringe mit einem zierlichen pyramidenförmigen Ausputz glänzender Steine um die Stoßzähne der Tiere geschoben und die Zähne selbst nötigenfalls durch Ansätze künstlich verlängert, auch werden klirrende Silberketten um Hals und Füße geschirrt; dann lassen sich die Mahauts[WS 3] von ihren Elefanten mit dem Rüssel auf den Rücken des Tieres heben, stemmen die Füße zur Lenkung des Elefanten hinter dessen Ohren und erwarten ihre Herren. Am stolzesten und kostbarsten ist der Elefant angeschirrt, der die Fahne des Neisams und zugleich die schwergoldene „Lungar“ genannte Halskette trägt, die von der Mutter eines Prinzen gestiftet wurde, als dieser von einem bei einem solchen Fest durchgehenden Elefanten mit dem Rüssel erfaßt, aber wohlbehalten in einem Dickicht niedergelegt wurde.

Inzwischen sind wir vor der niedergelassenen Fallbrücke des Stadttores angelangt. Wie kindlich erscheinen heutzutage diese mittelalterlichen Verteidigungsmittel, die rosafarbigen Lehmmauern mit Schießscharten, diese veralteten von Elefanten gezogenen Geschütze des Neisams, dem die Engländer keine modernen Feuerwaffen erlauben.

Wir weisen unsere Erlaubniskarte zum Besuche der Stadt dem Torwächter vor, starren ihm aber verblüfft ins Gesicht, denn unser Auge fällt nicht auf die regelmäßigen Züge eines Hindu, sondern ein unverkennbarer Afrikaner fletscht uns seine schneeweißen Zähne entgegen; er gehört zu der arabischen Siddih-Leibwache[WS 4] des Neisams, deren uralte Feuersteinflinten vortrefflich zu ihrem mittelalterlich-wilden, räubermäßigen Aussehen stimmen.

Nun betreten wir die Stadt, jedoch nicht etwa zu Fuß, das würde sich für einen Vertreter des herrschenden weißen Volkes nicht ziemen. Nur in

stolzer Karosse, auf dem Rücken eines edlen Pferdes oder Elefanten oder in

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Haudah: vergleiche Howdah
  2. WS: Dekhan: vergleiche Dekkan
  3. WS: Mahaut: vergleiche Mahut
  4. WS: Siddih'': vergleiche Siddi (Volk)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/158&oldid=- (Version vom 1.7.2018)