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Aus den Felsblöcken herausgehauene Tempel an der Küste[WS 1] bei Mawilipuram.

Siebentes Kapitel.
Die steinernen Wunder von Mawilipuram.

Die Hauptstadt der Präsidentschaft Madras verdankt ihren Reichtum nicht allein dem Handelsverkehr durch die daselbst ein- und auslaufenden Seedampfer, sondern auch dem ausgedehnten Kanalnetz, mit dessen Hilfe die Frachtgüter seit alten Zeiten aus dem Inneren des Landes nach Madras geschafft werden.

Zum Besuch der Felsenbauten in Mawilipuram[WS 2] zog ich die vierzehnstündige Kahnfahrt auf einem solchen Kanal trotz der damit angeblich stets verknüpften Fiebergefahr einer aus Eisenbahn, Ochsenkarren und nur einstündiger Ruderbootfahrt zusammengesetzten Beförderung vor; zur See dorthin zu kommen ist, obwohl der Felsenbezirk von Mawilipuram, Mamallapuram oder Mahawalipur am Meeresstrande liegt, wegen der Riffe und Sandbänke nicht möglich.

Eine Bootfahrt in südindischer Mondnacht hat wunderbar idyllische Reize, zumal durch das gelassene Tempo, in dem die Schiffer den Kahn vorwärts ziehen, schieben und rudern; wie wohltuend ist dann die dem modernen Kulturmenschen so selten bescherte Muße und Gelegenheit, einmal recht ruhig mit sich allein zu sein, unbelästigt durch irgend eine Schattenseite der bei uns zu Lande üblichen Dampffahrzeuge! Freilich, allzu ernsthaft darf man seinen Gedanken dabei nicht nachhängen, um nicht durch diesen Gegensatz mit unserer Lebensweise mit Schrecken wahrzunehmen, daß wir modernen Menschen unser Leben eigentlich recht wenig leben und der unbequemen Konzentration auf das eigene Innere fast unbewußt durch unausgesetzte Betäubungen aus dem Wege zu gehen suchen. Uns selbst in einem möglichst üppigen Rahmen zu sehen, das ist das Ziel, nach dem wir am meisten streben, und jener prunklose, einsame

Weg nach innen, den die Zeitgenossen des Sophokles beschritten, kommt gerade

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Tempel an der Küste: vergleiche Küstentempel
  2. WS: Mawilipuram, Mamallapuram, Mahawalipur: vergleiche Mahabalipuram
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/132&oldid=- (Version vom 1.7.2018)