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für einen Erzaufschneider, wenn ich auf die Frage, ob Deutschland denn nicht eine Provinz von England sei, höflichst erwiderte, daß dies keineswegs der Fall, sondern daß Deutschland sogar beinahe noch einmal so groß sei wie England.

Der soeben erwähnte Mangotrick wird übrigens in verschiedener Weise ausgeführt. Am überraschendsten ist das fast urplötzliche Hervorwachsen immer höherer Pflänzchen aus dem Kern, wobei diese mit großer Geduld und Kunst in den Falten der vom Gaukler jeweilig darüber gestülpten Tuchfetzen untergebracht und mit geschicktem Handgriffe in die lockere Erde gesteckt werden. Manche Zauberer sollen jedoch aus indischen Ameisen einen Extrakt zu bereiten verstehen, der angetriebenen Fruchtkeimen tatsächlich zu einem überraschend schnellen Wachstum verhelfen soll, wobei man nicht vergessen darf, daß im indischen Klima frisch gesäter Reis bereits am zweiten Tage aufgeht! Auch junges Bambusrohr sprießt so rasch in die Höhe, daß birmanische Tyrannen zur Todesstrafe verurteilte Delinquenten über einer unwiderstehlich emporwachsenden Bambusrohrspitze festbinden und von dieser nach und nach durchbohren ließen, was auch noch heutigen Tages chinesische Marterkünstler fertig bekommen sollen.[WS 1]

Ein anderes beliebtes Schaustück ist der Baskettrick[WS 2], der sogar schon von Reisenden wegen des unbegreiflichen Verschwindens eines leibhaften Menschen als Beweis für das Vorhandensein und Wirken höherer psychischer, aber noch unbekannter Kräfte vierter Dimension angeführt worden ist, ebenso wie bereits die Tänze indischer Hampelmänner ohne sichtbare Schnur auf Rechnung des Hypnotismus gesetzt wurden! Der Baskettrick wirkt allerdings beim ersten Sehen wegen dieses scheinbar spurlosen Verschwindens einer lebenden Person so beunruhigend, daß die christliche Geistlichkeit das Anschauen solcher Wunder noch vor hundert Jahren als gottlos verbot. Besonders erschrickt wohl jeder Uneingeweihte, wenn eine so zierliche passive Teilnehmerin mitwirkt, wie die hier abgebildete junge Tamulin, die von den Wundermännern aus der Mitte der Zuschauer herausgelockt, trotz ihres rührend gespielten Widerstandes gewaltsam in ein Netz gesteckt und durch die enge Öffnung eines nach unten ausgebauchten Korbes gezwängt wurde; über diesen wurde dann ein Deckel gestülpt. Mit jedem beliebigen scharfen langen Messer irgend eines Zuschauers pikten hierauf die Zauberer unter gräßlichem Geschrei wild durch die Maschen des Korbgeflechtes, rissen dann den Deckel ab, stürzten den Korb um und rollten ihn auf der hohen Kante hin und her. Plötzlich sprang einer von der Bande fest in die Mitte des scheinbar jetzt ganz leeren Korbes und trampelte darin herum, während sein Spießgeselle einer aus einem Flaschenkürbis geschnitzten Flöte markdurchbohrende Töne entlockte und ein dritter ängstlich umherlief, als ob er die aus dem Korbe Verschwundene suche. Der inzwischen von den Zuschauern untersuchte Deckel wurde schließlich einen Augenblick

wieder auf den Korb gestülpt, aus dem dann die geschickte Akrobatin unversehrt hervorschlüpfte; natürlich hatte sie ihn niemals verlassen, sondern in dessen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Bambusrohr: vergleiche Bambusfolter
  2. WS: Baskettrick: vergleiche Indian Basket Trick (en)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 88. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/128&oldid=- (Version vom 1.7.2018)