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und Perfidie wettert, wenigstens ein klein wenig von der fast fanatischen Liebe der Engländer zu zwar oft höchst unbequemen, aber Geist wie Körper stahlhart schmiedenden Sportübungen verspürte; wie schnell verwandeln sich bei manchem Trägen die während des Militärdienstes gehärteten Knochen aus Erz in Marzipan!

Madras gilt als Hauptquartier des fahrenden Volkes, das von hier aus Indien, ja selbst überseeische Länder in Gestalt der weltbekannten indischen Zauberer durchzieht. Die schwer kontrollierbaren Berichte von Indienreisenden früherer Zeit über die von dortigen Zauberern vollbrachten Wunder wurden durch das Buch eines französischen Beamten in Ponditscherri[WS 1] überboten, das schon durch seinen Titel Voyage au Pays des Fakirs Charmeurs[WS 2] ahnen läßt, daß es Sensation hervorrufen sollte; daß es diesen Zweck auch tatsächlich erfüllt hat, geht daraus hervor, daß die nach Ansicht des Verfassers nicht auf natürlichem Wege zustande gekommenen und allen Naturgesetzen widersprechenden von ihm gesehenen Leistungen überall auf Treu und Glauben als Beweise rätselhafter Geisteskräfte der indischen Zauberer nacherzählt wurden. Leider übersahen die Leichtgläubigen die wichtige Klausel, die der stets ohne Zeugen beobachtende Autor auf Seite 47 des genannten Werkes einschaltet, indem er für den Fall, daß ihn jemand fragen würdet: Avez-vous expérimenté scientifiquement tous les faits que vous nous racontez des fakirs? mit einem deutlichen Non antwortet. Aber ebensowenig wie der Verfasser der voyage au Pays des Fakirs die Apparate und Vorführungen der von ihm fälschlich Fakire genannten Zauberer im wissenschaftlichen Sinne einer Prüfung unterzog, hat er es auch der Mühe nicht für wert gehalten, sich mit den scheinbar ebenso unerklärlichen Kunststücken europäischer und amerikanischer Taschenspieler vertraut zu machen. In seiner Weltabgeschiedenheit in Ponditscherri ist es ihm offenbar entgangen, wie sehr derartige Künste inzwischen im Abendlande vervollkommnet wurden, und daß es jedem tüchtigen Zauberkünstler möglich ist, die Schwerkraft scheinbar ebenso aufzuheben und spiritistische Manifestationen ganz gleicher Art zu vollbringen wie die „Fakire“ jenes französischen Beamten, der unter diesem ganz unzutreffenden Ausdruck sowohl profane Zauberer wie auch Jogis zu verstehen scheint.

Als Gegner des Aberglaubens habe ich mir vor Antritt meiner Reisen völlige Vertrautheit mit magischen Kunstgriffen und Geheimmitteln zu eigen gemacht, um den schon im Altertum als unbegreiflich und übernatürlich bekannten Wundertaten der indischen Zauberer auf die Spur zu kommen. Wenn es nun auch viel eindrucksvoller wäre zu sagen: „Ja, ich habe ganz unfaßbare Vorgänge mit angesehen“, muß ich doch von vornherein bekennen, daß es mir trotz aller darauf verwendeten Mühen und Kosten nicht gelungen ist, eine einzige Vorführung zu Gesicht zu bekommen, die nicht durch Taschenspielerei zu erklären gewesen wäre; Suggestion, Hypnose oder Spiritismus dabei als mitwirkend anzunehmen, wäre nur für jemanden nötig gewesen, der

glaubt, daß z. B. unsere Münzenbeschwörer die harten Taler wirklich aus der

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Ponditscherri: vergleiche Puducherry
  2. WS: Voyage au Pays des Fakirs Charmeurs: verfasst 1881, vergleiche Louis Jacolliot
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 82. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/122&oldid=- (Version vom 1.7.2018)