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Bürger zur Nachtzeit mit Strickleitern über die Zinnen, und andre stellten sich todt, legten sich in den Sarg und ließen sich so von ihren Sklaven hinausschaffen, — nur um dem schrecklichen Lirum-Larum ihres gekrönten Peinigers zu entgehen, nur um jenseits der Hörweite frei aufatmen zu können!

Auch heutzutage möchte sich der gefolterte Großstädter manchmal im Sarg hinaustragen lassen — aus barer Verzweiflung über das ununterbrochene Heisa-Juchheisa-Dideldum-Dei der Musik-Instrumente. Der Mißstand ist so entsetzlich, daß ein französischer Philosoph, angedonnert von den hunderttausend Akkorden seiner musik-rasenden Nachbarschaft, eine Abhandlung concipirte, die den Titel führt: „Le bonheur d’être sourd“ – „Das Glück, taub zu sein“.

Man hat ein Gesetz gegen die Trunksucht ventilirt. Aber die Trunkenbolde sind im Vergleich mit den tollen Musikbolden harmlose Kinder. Jedenfalls stören mich hundert Personen, die sich außerhalb des von mir bewohnten Hauses bezechen, ganz und gar nicht, während ein einziger Mensch, der sechs Stunden lang mir zu Häupten Mendelsohn’s Andante maëstoso über die Tasten stümpert, mir geistige, gemütliche, leibliche und finanzielle Schädigungen verursacht, die sich nur schwer taxiren lassen.

Im Mittelalter ließ man die Aussätzigen eigene, von der übrigen Menschheit völlig abgesonderte Häuser bewohnen. Und doch waren diese Unglücklichen nicht etwa durch eigenen Entschluß, sondern in Folge eines grauenhaften Verhängnisses aussätzig. Wer nun so unwiderruflich an der Lepra musicalis leidet, daß er alltäglich einen so und so vielstündigen Anfall bekommt, dem alle Symptome der von Paul Heyse

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Ernst Eckstein: Dudler und Dulder. Leipzig, 1893, Seite Seite: Dudler und Dulder 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dudler_und_Dulder_48.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)