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der sittigen, distinguirten Manier unserer Dramatiker einen Begriff zu geben. Jeder Anklang an das Heikle, Undelikate ist sorgfältig vermieden; die Frauen-Charaktere, mit denen der Dichter uns bekannt macht, sind lebenswahr, aber honnet; kein Mädchen braucht bei ihrem Anblick zu erröthen…“

„Ich bin wirklich neugierig!“ versetzte der Inder ein wenig pikirt.

…Die Stunde schlug. Wir nahmen zwei Sperrsitze und verfügten uns in den Musentempel, der bereits von zahlreichen Besuchern wimmelte.

Die Vorstellung begann. Reinhold ärgerte seine Mutter und bewunderte seine Cousine; Louise, die reizende Wittwe, ließ sich von dem lebenslustigen Vetter zur Sympathie für das Studentenleben und schließlich zur Liebe und Verlobung hinreißen … Der Vorhang fiel und das Publikum klatschte – ganz wie in Dêvasipatam.

Mahaguma hatte inzwischen regungslos dagesessen. Seine Brust rang nach Atem …

„Aber das ist ja skandalös unsittlich!“ stammelte er endlich mit bebender Stimme.

„Unsittlich? Wie so?“

„Eine Wittwe! Eine Wittwe, die sich nach dem Tod ihres Gemahls nicht zu Ehren Brahma’s verbrennen läßt, sondern in schnöder Sinnlichkeit, in ruchloser Impietät nach neuen Liebesbanden jagt … Pfui!“

„Aber ich bitte Dich …“

„Rede kein Wort! Eure Dramatiker sind schamlose Gesellen!“

„Du scheinst an Verhältnissen Anstoß zu nehmen, die hier zu Lande als selbstverständlich betrachtet werden. Ich versichere Dich, … dergleichen ist ganz gewöhnlich! Die

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Ernst Eckstein: Dudler und Dulder. Leipzig, 1893, Seite Seite: Dudler und Dulder 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dudler_und_Dulder_30.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)