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Tendenz keinen Ausdruck gefunden hat, da handelt es sich um einen Fall von künstlich unterdrücktem Wachstum oder von Krankheit oder von Tod.

Der Individualismus wird ferner uneigennützig und ungeziert sein. Es ist schon gesagt worden, dass es eine Folge der aussergewöhnlichen Tyrannei der Autorität ist, dass der eigentliche und einfache Sinn der Worte völlig verdreht wird und dass sie dazu benutzt werden, das Gegenteil ihrer wahren Bedeutung auszudrücken. Was von der Kunst gilt, trifft ebenso auf das Leben zu. Ein Mann wird heutzutage geziert genannt, wenn er sich kleidet, wie es ihm gefällt, sich zu kleiden. Aber wenn er das tut, handelt er völlig natürlich. Geziertheit in diesen Dingen ist es, wenn einer sich in seiner Kleidung nach den Ansichten seiner Mitmenschen richtet, die, da sie die Ansichten der Mehrheit sind, wahrscheinlich äusserst einfältig sind. Oder jemand wird selbstsüchtig genannt, wenn er auf eine Art lebt, die ihn für die volle Verwirklichung seiner eigenen Persönlichkeit die geeignetste dünkt; wenn

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Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/93&oldid=- (Version vom 31.7.2018)