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Tragödie des Mohren. Kein Kunstbetrachter braucht die Stimmung der Empfänglichkeit vollendeter als der Zuschauer im Schauspiel. In dem Augenblick, wo er Autorität auszuüben sucht, wird er der erklärte Feind der Kunst und seiner selbst. Die Kunst macht sich nichts daraus. Er aber leidet darunter.

Mit dem Roman steht es ebenso. Die Autorität der Menge und die Anerkennung dieser Autorität sind verhängnisvoll. Thackerays „Esmond“ ist ein schönes Kunstwerk, weil er es zu seiner eigenen Lust schrieb. In seinen anderen Romanen, in „Pendennis“, in „Philip“ und sogar manchmal in „Vanity fair“ denkt er zu sehr ans Publikum und verdirbt sein Werk, indem er direkt an die Sympathien des Publikums appelliert, oder sich direkt über es lustig macht. Ein wahrer Künstler nimmt keinerlei Notiz vom Publikum. Das Publikum existiert nicht für ihn. Er hat keinen Mohnkuchen oder Honigkuchen, um damit dem Ungeheuer Schlaf oder angenehme Stimmung zu geben. Er überlässt das dem Verfasser populärer Romane.

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Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/81&oldid=- (Version vom 31.7.2018)