Seite:Drei Essays Oscar Wilde.pdf/61

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Bewunderung der Bibel und Shakespeares in England ist ein Beispiel für das, was ich meine. Bei der Bibel übt die kirchliche Autorität einen Einfluss aus, so dass ich dabei nicht zu verweilen brauche.

Aber im Fall Shakespeares ist es ganz offenbar, dass das Publikum in Wirklichkeit weder die Schönheiten noch die Schwächen seiner Stücke sieht. Wenn sie die Schönheiten sähen, würden sie sich der Weiterentwicklung des Dramas nicht entgegenstellen; und wenn sie die Schwächen sähen, würden sie sich ebenfalls der Weiterentwicklung des Dramas nicht entgegenstellen. Tatsächlich benutzt das Publikum die Klassiker eines Landes als Mittel, den Fortschritt der Kunst zu hindern. Sie degradieren die Klassiker zu Autoritäten. Sie benutzten sie als Knüppel, um den freien Ausdruck der Schönheit in neuen Formen zu hindern. Sie fragen jeden Schriftsteller, warum er nicht wie der oder jener schreibt, jeden Maler, warum er nicht wie der oder jener malt, und vergessen ganz die Tatsache, dass jeder, der etwas der Art täte, aufhörte, ein

Empfohlene Zitierweise:
Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 55. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/61&oldid=- (Version vom 31.7.2018)