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und kann also in sein Werk nicht das Beste hineinlegen, das er in sich hat. Ueberall andrerseits, wo eine Gemeinschaft oder eine mächtige Gesellschaftsschicht oder irgend eine Regierung den Versuch macht, dem Künstler vorzuschreiben, was er tun soll, geht die Kunst entweder völlig zugrunde oder wird stereotyp oder verfällt zu einer niedrigen und gemeinen Form des Handwerks. Ein Kunstwerk ist ein einziges Ergebnis eines einzigen Temperamentes. Seine Schönheit entspringt der Tatsache, dass der Künstler ist, was er ist. Es hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass andere brauchen, was sie brauchen. In der Tat hört ein Künstler in dem Augenblick, wo er den Bedürfnissen anderer Beachtung schenkt und den Bedarf zu befriedigen sucht, auf ein Künstler zu sein und wird ein trauriger oder amüsanter Handwerker, ein ehrbarer oder unehrlicher Handelsmann. Er hat keinen Anspruch mehr darauf, als Künstler zu gelten. Die Kunst ist die intensivste Art Individualismus, die die Welt kennt. Ich bin geneigt zu sagen, sie sei die einzige wirkliche

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Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)