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kleine Kinder, das jüngste – eben das, dem der Aufseher die Kakes gab – ein winziges Kerlchen, für das sie offenbar keine passenden Kleider finden konnten, die vorhandenen waren alle zu gross. Ich habe natürlich im Gefängnis in den zwei Jahren, in denen ich eingesperrt war, viele Kinder gesehen. Besonders das Wandworth-Gefängnis beherbergte immer eine Anzahl Kinder. Aber das kleine Kind, das ich am Montag nachmittag in Reading sah, war winziger als irgend ein anderes. Ich kann kaum beschreiben, wie äusserst betrübt ich war, diese Kinder in Reading zu sehen, denn ich kannte die Behandlung, die ihrer wartete. Die Grausamkeit, die man bei Tag und bei Nacht an Kindern in englischen Gefängnissen verübt, ist unglaublich für alle, die sie nicht selbst mit angesehen haben und die Brutalität des Systems nicht kennen.

Die Menschen unserer Zeit wissen nicht, was Grausamkeit ist. Sie halten sie für eine Art schreckliche mittelalterliche Leidenschaft und bringen sie in Verbindung mit Männern vom Schlage Ezzelins

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Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)