Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/3

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse

 

 

Maximilian Bern, der feinsinnige Novellist und Lyriker, dem Publikum und Buchhandel schon manche vielgerühmte Anthologie verdanken, hat sich der ebenso schwierigen wie interessanten Aufgabe unterzogen, nach den Schätzen deutscher Dichtung aus längst vergangener und aus neuester Zeit vom modernsten Standpunkt: von der Rampe des Ueberbrettls auszuspähen. Seine eigenartige, reizvolle, nun in neuer, verbesserter Ausgabe erscheinende Sammlung bietet von über 200 Autoren gegen 500 zumeist heitere, oft übermütige Dichtungen, die sich den pedantisch strengen Grundsätzen der alten neun Musen nicht recht fügen wollen und daher eine neue Schutzgöttin, – die zehnte Muse, beanspruchen. Berns im Hinblick auf die vielen literarischen Variétés und die momentane Geschmacksrichtung des Lesepublikums getroffene Auswahl ist nur für reife und keineswegs prüde Leser bestimmt, wenn er auch alles auszuschliessen bestrebt war, was durch blosse Pikanterie und nicht auch durch eine wahrhaft künstlerische Form zu wirken versucht. Vielleicht bewertet der Herausgeber die verschiedenen Brettl viel zu hoch, indem er ihnen zum Teil Romanzen aus realem Leben, fein pointierte Satiren und Fabeln zumutet, die einen wirklich vornehmen Geschmack erfordern; der Leser des originellen, espritvollen Buches dürfte dabei aber in jedem Falle gewinnen. Obwohl der Grundton der reichhaltigen, bis auf das 13. Jahrhundert zurückgreifenden Anthologie, die neben interessanten literarischen Kuriositäten besonders viele überaus dankbare Liedertexte aufweist, entschieden heiter ist, wird Bern doch wenigstens in den Abschnitten »Sociales« und »Vortragsdichtungen« auch dem Ernst der Zeit gerecht. Im grossen und ganzen haben wir es also mit einer nicht nur für den Literaturfreund, sondern für jedermann anziehenden, modernen und mondainen Anthologie zu tun.

Verlag von Otto Elsner.     
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite iii. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/3&oldid=- (Version vom 21.1.2017)