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und Schicksalen zu erklären, sondern in nationalen Meinungen und Dogmen zu entdecken gewußt hat. Denn diese Laster verschwinden sogleich oder hindern nicht mehr zur Bekleidung obrigkeitlicher Aemter, sobald man das Christenthum angenommen hat.

Wir aber, die wir im jüdischen Bekenntniß leben und sterben wollen, müssen gegen diese Anschuldigungen mit allem Ernste protestiren, wir, die wir von der makellosen Lauterkeit unseres religiösen Gesetzes tief durchdrungen sind, müssen Alles zurückweisen, was dieses, können Alles Lügen strafen was uns aus jenem treffen soll.

Das Verfahren gegen uns ist nicht nur ein ungesetzliches, es ist auch ein unnöthiges; indem man uns allein für Dinge verantwortlich macht, die wenn sie wahr sind, unmöglich unsere Schuld sein konnten, die aber nicht wahr sind, weil keine Nation Mängel der Art besitzt, die sie zur Aufnahme in’s Staatsleben untauglich machen, bedurfte es der Anklage gar nicht, um uns nicht zu geben was wir verlangen.

Es ist entwürdigend, sich gegen Vorwürfe wie sie in den judenfeindlichen Schriften von Grattenauer und Rühs bis auf den heutigen Tag dargelegt werden, zu vertheidigen; mag es das letzte Sühnopfer sein, das wir dem Genius des erzürnten Weltgeistes bringen, uns vertheidigen zu müssen. Es ist ein Verdienst, ein Trost, für das heilige Erbe der Väter zu leiden, für den gewaltigen Gedanken unserer Ahnen Gewalt zu ertragen, aber die gelben Lappen des uns aufgebundenen Lasters, die Brandmarke der moralischen Unfähigkeit müssen wir in stummer Verachtung von uns weisen. Wir sind nicht so eitel auf unsere Vorzüge, als uns die blasse Furcht unserer Feinde machen könnte; wir sind nicht dünkelvoll genug, um den sittlichen Werth, den wir uns trotz aller Demoralisationsversuche bewahrt haben, bloß uns allein, nicht eben auch dem Beispiel unserer großen Vorfahren zuzuschreiben; wir sind nicht so glücklich für jeden Einzelnen von uns in sittlichen Beziehungen bürgen zu können, auch wir zählen Verderbte und Schwache unter uns, aber der Staat, der einst die Gemeinde der Juden für den Diebstahl des Individuums verantwortlich machte, thut dasselbe jetzt mit moralischen Gebrechen,