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Ich bin zu schwach, unsre Gräfin als Mutter und Erzieherin im wahren Lichte zu zeigen, auch die stärksten Farben würden nur am Ende einen Schattenriß machen, man kann sie anstaunen, an ihrer Größe hinaufblicken, sie fühlen; aber zu beschreiben, zu zeichnen vermag man nicht.

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 Am größten zeigte sich ihr zärtliches Mutterherz in der Krankheit ihres Erstgebornen, den eine schreckliche Lungensucht nach einer Krankheit von 7 Monaten in seinem fünften Jahre hinwegraffte. – Voll Hoffnung baldiger Genesung saß sie im Anfange an des kleinen Leidenden Bette, die Hoffnung auf frohe Zukunft mehrte ihre Sorgfalt, sie gab ihm selbst jeden Tropfen Arzney, sie war seine Wärterin. – Die Andauer des Übels minderte die Hoffnung, entfernte jeden Trost, sie weinte, sie jammerte zum Allvater hinauf, sie ging nicht von seinem Bette, sie verdoppelte ihre Sorgfalt, sie entzog sich den Schlaf; um beständig bey ihm seyn zu können, behielt sie ihn auf immer in ihren Zimmern. – Ein ungewöhnliches Husten des Kleinen in der Nacht schreckte sie aus dem Schlafe auf, sie sprang aus dem Bette um zu helfen, um zu sorgen; sie unterhielt ihn beständig mit mancherley angenehmen Gegenständen, um ihn wenigstens die Leiden vergessen zu machen; sie that, was nur immer Zärtlichkeit und Liebe vermag, sie versagte sich alles Vergnügen, alle Gesellschaft, alle Bequemlichkeit, ob sie gleich wieder hochschwanger

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Anonym: Die musterhafte Dame, kein Ideal in: Journal von und für Franken, Band 5. Raw, Nürnberg 1792, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_musterhafte_Dame,_kein_Ideal.pdf/9&oldid=- (Version vom 31.7.2018)