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und erschüttern sie nie. Ihre Vernunft ist Meisterin des Willens. Ihr Temperament ist etwas zu Jähzorn und Aufbrausung geneigt, aber sie weiß sich zu besiegen, sie weiß den Ausbrüchen des Feuers mächtigen Damm zu setzen. – – Gegen jeden leutselig, gesprächig, frey von Stolz, Falschheit, Heucheley, gegen jeden so, wie es die Verhältnisse fordern, herablassend, zuvorkommend, liebt sie jedes, jedes verehrt sie, jedes staunt sie an. – Sie ist die wärmste, die thätigste Menschenfreundin, – und wer verehrt nicht diese? – Sie gibt den Armen und Dürftigen Trost und Unterstützung, sie gibt sogar manchen Leuten den menschenfreundlichen Auftrag, Elende aufzusuchen, und ihr anzuzeigen; heimlich unterstützt sie selbige dann mit ihrem eigenen Spielgelde. Sie verheimlichet solche edle Handlungen mit Sorgfalt und Edelmuth. Sie gibt, um zu helfen, zu unterstützten, zu retten, oder wenigstens die Leiden zu mindern. Ihr Gewissen und ihr Herz lohnt sie für ihre edlen Thaten mit dem süßen Vergnügen des Wohlthuns, sie verlangt nicht der Menschenlob als Lohn. – – Ich kennte diesen edlen Zug nicht von ihr, wenn ihre Sachwalter eben so heimlich damit seyn könnten, wie sie. – Aus edeln Thaten ein Geheimniß machen ist leicht für den Menschenfreund, der sie beginnt, er hüllt sich in sein süßes Bewustseyn ein; aber schwer, unmöglich

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Anonym: Die musterhafte Dame, kein Ideal in: Journal von und für Franken, Band 5. Raw, Nürnberg 1792, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_musterhafte_Dame,_kein_Ideal.pdf/12&oldid=- (Version vom 31.7.2018)