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zu erfassen, und welche Rechte dabei der Vernunft abzusprechen oder zu bewilligen seyen, handelt sich endlich nicht mehr darum, wie weit das Halten zur christlichen Kirche zu binden sey an Formel und Symbol: alle diese Fragen waren doch wenigstens darin einverstanden, daß sie ausgingen von der Idee des Gottes, wie Christus ihn seinen Vater und unsern Vater nennt, und wie das andächtige Herz ihn ahnen lehrt, wenn es erdrückt von der Last des Diesseits den Aufschwung gewinnt ins Jenseits. Wie dagegen in diesem Augenblick der Kampf der Wissenschaft steht, so ist die erste Grundbedingung alles Christenthums selbst in Frage gestellt; die Spaltung der Geister, wie sie jetzt heraustritt, handelt sich um nichts Geringeres, als ob die Idee eines christlichen Gottes, an deren Reichthum sich von jeher christliche Wissenschaft übte, und christliche Herzen erwarmten, ob sie ferner noch feststehen solle, oder ob, was bisher als Gott und Welt galt, als Schöpfer und Creatur, aufgehen solle in die Idee eines einzigen Organismus, der von Ewigkeit her sich als nothwendig von selbst entfaltete in der Weltgeschichte, so daß auch der Menschengeist nur einen Durchgangspunct bilde in diesem Processe der Entwicklung. Wo so viel in Frage steht, wo es sich um Seyn oder Nichtseyn handelt, nicht etwa einzelner Gestalten des christlichen Glaubens in seinen nähern Bestimmungen, sondern geradezu der ersten Grundbedingungen einer christlichen Weltansicht: da in der That wird jede Lehre und Weisung erwünscht seyn, die wir aus der Vorzeit zum richtigen Verhalten im Kampfe der Geister für die Gegenwart gewinnen können.

Sollte auch wohl das Beispiel der Disputatoren auf dem Reichstage zu Regensburg, so wie die von ihnen vertretene versöhnliche Stimmung der Fürsten, aus der zunächst die kaiserliche Bestätigung unserer Anstalt hervorging, sollte wohl ihre Stellung zum Christenthume uns einen Beytrag zur richtigen Stellung in der Gegenwart jener so drohenden Frage gegenüber, gewähren können? Nicht einen Beytrag allein, meine ich, sondern geradezu die völlig ausreichende