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mußte in ihrem Kampfe gegen Mißbräuche und Entartung im kirchlichen Leben, hingereicht haben, um den minder günstigen Eindruck zu entkräften, den er als catholischer Christ aus ihrer Abweichung von den Lehren entnahm? Drang er darum nicht selbst unaufhörlich auf ein allgemeines Concil, um da zu helfen, wo er die Reformation in ihrem Rechte sah? Wie wenig er in den Protestanten die religiöse Partei haßte, wie vollkommen jene verschiedenen Eindrücke sich bey ihm ausgeglichen hatten, bewies er durch die That nach seinem Siege im Schmalcaldischen Kriege: als er Wittenberg in seiner Gewalt hatte, dauerte der evangelische Gottesdienst fort; die spanischen Soldaten durften ja nicht einmal die Asche Luthers beschimpfen; das Interim, das er den Protestanten auflegte, enthielt zwar viel Hartes, aber bei Weitem nicht so viel, als man in Rom wünschte; zog doch der Papst sofort im Aerger darüber seine Hülfstruppen aus Deutschland zurück. Es darf demnach wohl ausgemacht seyn, daß wenn Karl auf dem Reichstage zu Regensburg durch manche Gunstbezeugung an den Landgrafen Philipp, und so auch durch Verleihung der Privilegien unserer Universität eine ausnehmende Milde gegen die Sache der Reformation bewies, dieß wenigstens nach seiner religiösen Denkart nicht als Täuschung zu gelten braucht. So viel ihn die Reformation von der Seite des Glaubens und der Lehre verletzte, eben so viel stimmte er ihr rücksichtlich der Praxis und des Lebens auch wiederum bey. Nach der kirchlichen Seite hin haben wir ein Recht, seine Stellung als indifferent zu bezeichnen.

Es bleibt nur die politische Seite an jenem Schritte des Kaisers zu prüfen über. Indessen die Frage, war die kaiserliche Gunstbezeugung an Philipp von Hessen vom Standpuncte der Politic aufrichtig gemeint, oder nur Eingebung des Interesses, diese Frage hat streng genommen keinen Sinn, da sie voraussetzt, es gäbe überhaupt auf dem Felde der Politic Aufrichtigkeit, und es entschieden dort die Interessen nicht unbedingt: für Karls V. Zeit oder das 16 Jahrhundert, und