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August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z
Karoline Christiane Louise Rudolphi (Schindel)

des Instituts ihm frische Blumenkränze brachten. Im Jahr 1803 verlegte sie diese Erziehungsanstalt nach Heidelberg, wo sie durch ihre rühmliche Leitung und das achtungsvolle Vertrauen, das man der Vorsteherin schenkte, immer mehr an Umfang gewann. Sie starb am 15. April 1811 und liegt auf dem Friedhofe der lutherischen Kirche bei Heidelberg begraben, unfern ihrer würdigen Geistesschwester Sophie Brentano. – Karoline Rudolphi verlebte ihre Kindheit etwas unter dem Drucke, worauf sie auch in ihren Briefen über die weibliche Erziehung anspielt, und ihre ganze Jugend hindurch war sie fast auf sich und auf Gott hingeworfen. So bildete sie sich selbst, festhaltend an der ewigen Güte, und ihr Glaube an die Vorsehung, deren Wohlthaten sie täglich mehr empfand, wurde unerschütterlich. Die Bibel war das Buch, das sie vorzüglich in ihrem Mädchenalter las, und ihr Religionsunterricht führte sie in das Christenthum so ein, daß es die Religion ihres Herzens wurde; auch als sie ihr heller Verstand in die unmittelbarste Verbindung mit einer Literatur setzte, die oft den Angriff gegen das Positive der Religion begann, war sie unerschütterlich in ihrer Überzeugung, und mit Recht wurden Klopstock und Claudius ihre Freunde. Ihr Glaube an menschliche Güte war, wie der verehrte Kirchenrath D. Schwarz in der Vorrede zu ihrem Werke über weibliche Erziehung sagt, nichts anders, als ihre unüberwindliche Menschenliebe, die weder durch ihren krankhaften Körper, noch durch die oft von Kindheit auf erfahrnen Übel, noch selbst durch die mancherlei unangenehmen Erfahrungen ihres Berufs gestört wurde. Sie war eine musterhafte

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August von Schindel: Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts, Zweiter Theil, M-Z. F. A. Brockhaus, Leipzig 1825, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutschen_Schriftstellerinnen_(Schindel)_II_229.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)