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aus „wie ein in den Himmel ragendes Gebirge voll unwegsamer Gletscher und Gipfel, aber in seinen Tälern liebliche Auen mit Blumen“. Ironie, die da mit bitterem Wort verletzt, Sarkasmus, der an den blutenden Wunden des Gegners sich weidet, des Hutten Dunkelmännerbriefe und des Erasmus ätzender Spott bleiben ihm fremd, hier tun es Tränen und nicht Lachen. Aber wie der Recke in der deutschen Volkssage, etwa im Waltharilied, ruft er seinen Gegner mit Trotz und Hohn zum Kampf, er jauchzt in den Streit und freut sich des Sieges und schont den Besiegten. Seine derbe Laune verlangt manchmal nach Dissonanzen, aber seine Frömmigkeit gießt Öl in die Wunden und heilt die Erschlagenen.

 Dabei ist er – und das scheint mir in seiner Krone der herrlichste Juwel – demütig vor Gott und den Menschen. „Luther sterbe, Christus lebe.“ Er will nicht nach seinem Namen Religion und Kirche nennen, denn er ist Staub und Asche. Das Hochgefühl, das ihn zu Zeiten stärkt und über sich erhebt, wird geheiligt und geläutert durch die Sündenerkenntnis und die Sorge um seiner Seele Heil.

 Er weiß, Gott kann tausend Martini erwecken und hat das Bekenntnis seines Lebens in das Vermächtnis gelegt, das man nach seinem Tode auf seinem Tische fand: „Wir sind Bettler, das ist wahr.“ – Was Wunder, daß deutsches Volk und deutsche Art in ihm seinen Meister fand? Denn es gab eine Zeit – wir bedauern, daß sie vergangen ist – in der edle fromme Priester sich freuten, äußerlich Luther zu gleichen und an seinen Liedern sich erquickten. Ich kenne fromme Katholiken, die seine Briefe als Meisterwerke der Sprache bewundern und denke an das Wort eines Vielgenannten „Luther sei der größte Deutsche seiner Zeit gewesen.“ Solche Männer, die Gott in einer besonderen Gnadenstunde der Welt bescheert, gehören nicht der Zeitenenge, die ihr Leben umspannt, noch den Volksschranken, in die es geformt ist, sie gehören allen Zeiten und allen Völkern, aber das deutsche Volk rühmt sich unter ihnen, Luther den seinen zu nennen, wo es denkt, braucht es seine Gedanken, wo es redet, bittet es um seine Worte. Der unweltläufige und ungewandte

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Hermann von Bezzel: Die deutsche Art in Luther. ohne Verlag, 1910, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutsche_Art_in_Luther_12.png&oldid=- (Version vom 20.7.2016)