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Bekenntnis übergeben war, der Kaiser schlief. Aber nicht aus kluger Diplomatie, zu der Luther nicht die geringste Gabe besaß, so daß ein einmaliger Versuch, sie zu üben, jämmerlich mißriet, ihm zur Qual und seinem Werk zum Vorwurf – sondern aus tiefstinnerer herzlicher Ueberzeugung wollte er in Karl das fromme, junge, deutsche Blut sehen, das aufs beste es meine. Und vom Bannstrahl zweimal getroffen hört er nicht auf, für den Papst zu beten und was an ihm recht und groß erschien, anzuerkennen. Es ist deutsche Art, die Wirklichkeit der Dinge durch eine, ich möchte sagen, instinktive Gewißheit von dem, wie sie sein sollten, sich selber zu schildern und es ist die Art der Treue, wider die Scheinbarkeit zu hoffen und über den Augenschein zu glauben. Man hat ihn wohl gefragt, was er tun würde, wenn der Papst einmal statt seines Legaten nach Wittenberg käme und er konnte aus reinem Gewissen antworten: „Ich würde ihn mit aller Ehrerbietung empfangen“, kämpfte er doch nicht gegen Personen, sondern gegen Systeme, nicht gegen die Träger der Anschauungen, sondern gegen diese selbst. Voller Gegnerschaft hat er doch nie persönliche Feindschaft geübt, leidenschaftlich in seiner Polemik, hat er doch einen Tetzel noch trösten können, als er ihn in Sterbensnöten wußte, und da noch trauen können, wo sein Melanchthon längst den Glauben verlor. Aus dieser Treulichkeit der Lebensanschauung erwuchs die treue Liebe zu seinem Volke, das er der höchsten Ehren wert hält. Ein edles Roß nennt er es, das nur des rechten Reiters und Zaumes bedürfe, hochgefürstet vor allen Nationen, den Christophorum, der durchs Wasser schreitet und hält sich an das Wort Gottes als an einen Stab, ob die Welle braust und rauscht wie sie will. Seinen lieben guten Deutschen weiß er sich zu allem Guten verpflichtet, für sie ist er geboren, will er arbeiten und leiden. Ein Freund seines Volkes klagt er über die Schiffe, die „gut Geld und Sitte“ entführen gen Italia und Gallia, um fremden Tand zu holen, über Wucher und Uebersatz von Fronzins, die am Marke des Volkslebens zehren. Andererseits geht ihm das Gebet schwer ein, als ob ein Hemmnis für seine Erhörung sich fände, er fürchtet sein Volk am Rande des Verderbens, weil

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Hermann von Bezzel: Die deutsche Art in Luther. ohne Verlag, 1910, Seite 05. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_deutsche_Art_in_Luther_05.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)