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ein reines Geschenk des Himmels, diese Grotte. Da können die Franzmänner lange suchen, ehe sie uns finden.

Es war wirklich die höchste Zeit gewesen, daß die vier Deutschen diesen sicheren Schlupfwinkel fanden. Denn wenige Minuten später schon hörten sie von der anderen Seite der Schlucht französische Zurufe herüberschallen.

„Wir müssen ganz besonders genau das Tal durchsuchen,“ erklang eine Stimme nach einiger Zeit aus dem Grunde des Felskessels herauf. „In dieser Wildnis können sich Dutzende von den verfl– Prussiens verbergen.“

Weber, der ein halbes Jahr auch in einem Pariser Bankhause gearbeitet hatte und das Französische fertig sprach, verstand jedes Wort. Die vier Versprengten hockten beieinander im Hintergrunde der Grotte auf den als Polster zusammengelegten Decken und Mänteln. Die Gewehre hielten sie schußfertig in den Händen. Sollten sie entdeckt werden, so würden sie sich jedenfalls nicht ohne Kampf ergeben. Das war beschlossene Sache. Mit atemloser Spannung harrten sie nun der weiteren Entwicklung der Dinge. Hektor, der wieder neben Fritz Makull sich niedergekauert hatte, verhielt sich musterhaft. Zwar sträubten sich bisweilen seine Haare in mißtrauischer Wachsamkeit, wenn einer der Franzosen unten in der Schlucht besonders laut wurde; das blieb aber auch das einzige Zeichen seiner inneren Erregung.

So schlich Minute auf Minute dahin. Die Feinde ließen sich Zeit bei ihrer Spürtätigkeit. Dann wieder eine Stimme ganz in der Nähe:

„Hier ist eine deutliche Blutspur zu sehen – Da geht sie weiter. Es wird sicher der preußische Offizier sein, den wir schon einmal aufstöberten und der uns entkam.“

Die vier in ihrer Höhle schauten sich bedeutungsvoll an.

Und abermals ein Ausruf:

„Verd–! Die Bluttropfen hören plötzlich auf. Laßt uns den andern Teil der Schlucht durchsuchen. Hier befindet sich niemand.“

Die Schritte, das Rauschen der Zweige und das Abbröckeln loser Steine entfernten sich immer mehr. Weber kroch nun bis zum Ausgang der Höhle vor und spähte umher. Aber die Baumkulisse war derart dicht, daß sie nur an zwei bis drei Stellen eine Möglichkeit zum Durchblick in den Felskessel bot.

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W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/20&oldid=- (Version vom 31.7.2018)