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dem Dorfe Cossenette zurückgezogen. Hier, gedeckt von den Bäumen, holten die vier immer wieder neue Feinde von den Gäulen herunter. „Jeder Schuß ein Treffer!“ brüllte Weber, der auch hier wieder seine Schießfertigkeit bewies.

Dann sprang er plötzlich ein paar Schritt auf das freie Feld vor, indem er den drei andern zurief: „Die Standarte muß unser werden, koste es, was es wolle!“

Eben begannen die ersten Tropfen zu fallen.

Der französische Standartenträger, begleitet von vier Kameraden, riß zu spät sein Pferd herum. Webers Kugel durchschlug ihm die Schulter und den Hals, daß er sofort blutüberströmt vom Pferde sank. Ehe noch einer der Franzmänner die Standarte aufraffen konnte, knallten schon drei weitere Schüsse. Und aus dem Knäuel wild umsichschlagender verwundeter Pferde und umsichschauender Reiter schlüpfte der deutsche Unteroffizier mit dem Banner des Dragoner-Regiments davon und in das schützende Gehölz zurück.

Dichter und dichter fiel der Regen. Und unter seinem Schutz gelang es den vier Deutschen tatsächlich, mit der Standarte den sie wütend verfolgenden Kavalleristen zu entkommen.

Eine Stunde später befanden sie sich dann bereits in dem von Schluchten vielfach durchschnittenen Walde, der die Fortsetzung des Gehölzes von Cossenette bildete. Immer tiefer drangen sie in den endlosen Forst ein, sich nur gelegentlich beim Scheine von Webers Taschenlampe nach dem Kompaß orientierend. Ein Gedanke allein war es, der sie beseelte: Nicht in Gefangenschaft zu geraten und das französische Banner in ihrem Besitz zu behalten.

Der Unteroffizier bildete, sich mühsam vorwärtstastend in dieser pechschwarzen Finsternis, die Spitze. Die Nachhut bestand aus Fritz Makull, neben dem sich beständig der treue Hektor hielt obwohl ihm ein Geschoß das linke Hinterbein dicht über dem Kniegelenk durchschlagen hatte. Der Hund war, vielleicht weil es ihm in dem Kugelhagel der Schrapnells hinter dem zusammengestürzten Ofen schließlich doch zu ungemütlich wurde, zu dem Studenten gerade in dem Augenblick hinübergelaufen, als das so arg dezimierte deutsche Regiment den französischen Vorstoß mit einem Bajonettangriff

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W. Belka: Die Versprengten. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1914, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Versprengten.pdf/13&oldid=- (Version vom 31.7.2018)