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Schweißgebadet lenkte Richard einen Nebenweg ein und stieg vor einem alleinstehenden, jedoch von Schuppen umgebenen, massiven Gebäude ab, das ihm als eine am Flusse liegende Mühle bekannt war.

Kein Hund begrüßte ihn, er sah auch keine Leiche. Die Hausthür war verschlossen. Er rückte einen Holzbock an die Mauer, kletterte hinauf[WS 1], zerschlug ein Fenster und stieg ein.

Wie ein schneller Gang durch alle Räume ergab, hatte sich zur zeit, als der Tod seine Sichel geschwungen, niemand im Hause befunden. Desto besser, so brauchte Richard keine Leichen zu beseitigen. Es war ein wohlhabendes Haus, in der schönen, großen Küche fand er alles, was er bedurfte, er machte also ein Feuer an, und da eine angeschnittene Rehkeule noch ganz frisch roch, und man, um ein Stück Fleisch zu braten und Kartoffeln zu kochen, keine hohe Küchenschule durchgemacht zu haben braucht, so konnte Richard bald seinen Hunger an einem delikaten Mittagessen stillen, zu dem sich auch eine von der Hitze erwachte Winterfliege einstellte.

Die Hitze war wirklich außerordentlich. Richard öffnete daher die Fenster des Schlafzimmers in der ersten Etage, wobei er bemerkte, daß sich der Horizont verdunkelte; dann legte er sich auf ein Bett und war bald sanft entschlummert.

Ein Donnern und Rauschen weckte ihn. Es war ein heftiger Gewitterregen. Zuerst dachte er an sein draußen gebliebenes Fahrrad. Aber er konnte die Hausthür nicht öffnen, er hätte erst wieder durch das Fenster steigen müssen, und nun war es doch schon einmal naß, nun mochte es noch so lange draußen bleiben, bis es aufgehört hatte zu regnen.

Aber dies sollte nicht so bald der Fall sein. Die Nacht brach schon an, und es goß noch immer in Strömen. Als Richard in die Küche ging, um sich ein Abendbrot zu bereiten, prallte er entsetzt vor der heißen, pestilenzialisch riechenden Luft zurück, die ihm hier entgegenschlug. Er wußte, woher das kam, bezwang sich aber, stürzte hinein, riß ein Fenster auf und warf die Rehkeule hinaus. Aber auch noch manches

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hinaus
Empfohlene Zitierweise:
Robert Kraft: Die Totenstadt. H. G. Münchmeyer, Dresden (1901), Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Totenstadt.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)