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welche nach Auswechselung ihrer beiderseitigen Vollmachten folgenden Jurisdictions-Vertrag unter Vorbehalt der Allerhöchsten Ratificationen abgeschlossen haben.

§. 1. Beide contrahirende Staaten versichern sich gegenseitiger Rechtshülfe, sowohl in bürgerlichen als peinlichen Sachen, in soweit nicht hierüber im gegenwärtigen Vertrage besondere Einschränkungen enthalten sind.

§. 2. Jeder von den beiden contrahirenden Staaten erkennt in seinem Gebiete die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit der richterlichen Erkenntnisse des andern Staates, in soferne solche Urtheile von einem nach den näheren Bestimmungen des gegenwärtigen Staatsvertrages beiderseits als competent anerkannten Gerichte ausgegangen sind.

§. 3. Ein von einem zuständigen Gerichte erlassenes rechtskräftiges Erkenntniß begründet vor den Gerichten des andern Staates die Einrede des rechtskräftigen Urtheils (exceptio rei judicatae) mit denselben Wirkungen, als wenn das Urtheil von einem Gerichte desjenigen Staates, in welchem solche Einrede geltend gemacht wird, gesprochen worden wäre, desgleichen werden solche Erkenntnisse an den in dem andern Staate gelegenen Gütern des Sachfälligen unweigerlich vollstreckt. wenn

1) durch gerichtliche Zeugnisse dargethan ist, daß in dem auswärtigen Staate selbst, von dessen Gerichten erkannt worden, keine, auch der Zeit und den übrigen Verhältnissen nach gleich bereite und hinreichende Vollstreckungs-Mittel vorhanden seien, und
2) keine eigenen Unterthanen mit Forderungen sich gemeldet hätten, rücksichtlich welcher ihnen an den zur Vollstreckung des fremdrichterlichen Erkenntnisses angewiesenen Sachen ein vorzügliches oder gleiches Recht zusteht.

Soll daher die Hülfsvollstreckung an der Substanz unbeweglicher Güter geschehen, so ist zuvörderst der Inhalt des fremdrichterlichen Erkenntnisses nebst Anzeige der Güter, auf welche die Hülfs-Vollstreckung nachgesucht worden ist, öffentlich bekannt zu machen, und sind alle Unterthanen dieses Staates, welche etwa aus dem Grunde einer Hypothek oder anderer Titel ein vorzügliches oder gleiches Recht an jenen Gütern zu haben meinen, unter Anberaumung eines bestimmten Präklusiv-Termins aufzufordern, bei dem einschlägigen Gerichte erster Instanz ihre Forderungen geltend zu machen.

§. 4. Keinem Unterthan ist es erlaubt, sich durch freiwillige Perception der Gerichtsbarkeit des andern Staates, dem er als Unterthan und Staatsbürger nicht angehört, zu unterwerfen.

Keine Gerichtsbehörde ist befugt der Requisition eines auf diese Weise gesetzwidrig provozirten Gerichts in Stellung des Beklagten, oder Vollstreckung des Erkenntnisses statt zu geben. Jedes von einem solchen Gericht

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Verschiedene: Die Staats-Verträge des Königreichs Bayern von 1806 bis 1858. Regensburg: Friedrich Pustet, 1860, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Staats-Vertr%C3%A4ge_des_K%C3%B6nigreichs_Bayern_von_1806_bis_1858.pdf/24&oldid=- (Version vom 31.7.2018)