Die wilden Maulesel blieben gefesselt. Der Somali hoffte sie durch Hunger und Durst bald vollständig zu zähmen. – Während die Gefährten ihre vierbeinigen Gefangenen, die man in den Felsenhof geführt hatte, noch kritisch betrachteten, fragte der rote Knirps plötzlich den Somali folgendes, wodurch er wieder einmal bewies, daß in seinem wohlgenährten Körper zwar die Seele eines Angsthasen, gleichzeitig aber auch der Verstand eines listigen Fuchses wohnte:
„Über den Löwen weiß ich noch immer nicht genügend Bescheid, und Du, Freund Mompo, sollst mir nun ganz genau erklären: Was hat es mit diesem Tiere eigentlich auf sich? – Das, was ich bisher darüber erfahren, scheint mir absichtlich so geschildert zu sein, daß Kurz und ich nicht daraus klug werden sollen.“
Der Somali nickte. „Antwort wird Mompo heute abend geben. Auch gnädig Herr Inigör noch nichts wissen. Sehr zu lachende Sache mit diesem Löwen sein.“
Da Mompo und auch Tümmler sehr müde von der schlaflos verbrachten Nacht waren, hielten sie nun erst einmal ergiebige Mittagsruhe. Gegen 5 Uhr wurde der Mischling munter, sprang auf, weckte Tümmler durch einen lauten Zuruf und bedeutete dann den drei „gnädig Herrn“, daß er nichts anderes beabsichtige, als den Löwen lebendig zu fangen. Darob allseitiges Staunen. Der Knirps brummte etwas von „glatt übergeschnappt“ und fügte laut hinzu:
„Sie sind größenwahnsinnig, Herr Ali Mompo … Löwen lebendig fangen …! Lächerlich!“
Doch der Somali nickte ganz ernsthaft. „Löwe sein Lager hat im Süden der Schlucht. Ali Mompo nachts ihm heimlich nachspüren und alles auskundschaften. Jetzt gleich gehen wir; gleich! Löwe guten Abend sagen. Wird sagen zu Ali Mompo dann: „Guten Abend!“
Knirps lachte auf. „Unser brauner Freund ist vollständig
W. Belka: Die Schlucht in der Wüste. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1916, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Schlucht_in_der_W%C3%BCste.pdf/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)