eines – aufgeführt und macht nicht Kasse, so sind sie Dummköpfe und müssen für ihre Existenz zittern. War es aber ein Erfolg, nun – so hat es eben der Direktor angenommen.
Dennoch sind viele Dramaturgen ehrliche und verständige Literaten, gewissermaßen Botschafter der Literatur im Auslande des Theaters. Um ihren unbequemen Forderungen zu entgehen, hat direktorialer Instinkt neuerdings ein Mittel gefunden, ihnen jede Möglichkeit einer Wirkung zu nehmen: die größern Bühnen haben sich einfach mehrere Dramaturgen gemietet. Nun hat jeder von ihnen andre künstlerische Neigungen, die Eifersucht auf einander macht sie besonders kritisch, und so entstehen, dank dem absoluten Veto-Rechte jedes einzelnen unter ihnen, auch die gleichen Erfolge wie bei den polnischen Reichstagen. Es wird jede Tat verhindert.
Was aber bleibt dem Dramatiker übrig? Er versucht den Direktor persönlich für seine Arbeit zu interessieren. Vergebliches Bemühen! Er bekommt ihn garnicht zu Gesicht. Der Direktor hat sich verbarrikadiert hinter Proben, Geschäftsreisen, unaufschiebbaren Verpflichtungen und Arbeitslast. Man sollte nun denken, daß ein neues Stück auch zu dieser Arbeit gehört; aber man irrt. Der Autor in der Direktions-Kanzlei wird angesehen wie ein hier nicht Beschäftigter, dem der Eintritt eigentlich untersagt ist. Sein Wunsch, daß sein Stück geprüft werde, gehört so wenig zum Theaterbetrieb wie etwa der Vorschlag einer Skatpartie. Man empfängt ihn zwischen Tür und Angel und ist außerordentlich ungeduldig. Und da es nicht jedermanns Sache ist, Demütigungen zu erdulden, so nimmt der Autor die Arbeit wieder zurück. Oder er läßt, still verzweifelt, alles wie es ist. Und so bleibt es auch: häufig genug jahrelang.
Sicherlich ist es leichter, eine Audienz beim deutschen Kaiser zu erhalten, als etwa bei Herrn Reinhardt. Die Folgen einer solchen Absperrung sind naturgemäß die vollständige Unterbindung neuer Kräfte. Nicht sechs neue Namen sind in eben so viel Jahren auf den Theaterzetteln der führenden Bühnen Berlins zu lesen gewesen. Und auch bei diesen wenigen könnte man immer ein unkünstlerisches Zufalls-Motiv als Grund ihrer „Entdeckung“ nennen. Die „Provinz“ aber – worunter leider jetzt das ganze Reich mit all seinen Kultur-Zentren verstanden wird, eine sehr bedauerliche Folge von 1871 – empfängt die Losung von Berlin. Berlin–Hannover ist keine Entfernung und ein Theaterstück braucht kaum drei Wochen zu ihr. Wie weit aber ist die Strecke Hannover–Berlin! Meist so weit wie die Ewigkeit!
Nun aber muß alle Abende an so und so vielen Stätten Komödie gespielt werden; denn dies ist noch immer eine der beliebtesten Arten, die arme, unschuldige Zeit tot zu schlagen. Dazu bedarf man der Lieferanten von Mitgefühlen und Heiterkeiten, und warum sollte man sich nicht an die bewährten Firmen halten? Die Direktions-Kanzleien,
Ludwig Bauer: Die Straße des Ruhms. Reiss (Die Schaubühne, Jahrgang 1 (1905) Nr. 3, Seiten 59-62), Berlin 1905, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Schaub%C3%BChne_Jg._1_(1905)_-_Nr._3_-_S._59-62_(Ludwig_Bauer_-_Die_Stra%C3%9Fe_des_Ruhms).pdf/3&oldid=- (Version vom 19.4.2023)